Eigentlich sollten Wizz-Air-Chef Jozsef Varadi schon vor dem Markteinstieg in Wien-Schwechat die Preislisten des Airports und der Ground-Handling-Anbieter bekannt gewesen sein. Plötzlich ist ihm nämlich der österreichische Airport zu teuer, weshalb die Präsenz in Wien verkleinert wird. Priorität hat Österreich im Streckennetz des Billigfliegers keine mehr.
Noch vor ein paar Monaten klang das noch ganz anders: Wizz-Air-President Robert Carey kündigte im Rahmen einer Pressekonferenz die weitere Expansion in Wien-Schwechat an. Zusätzliche Airbus A321neo sollten stationiert werden und perspektivisch wurde weiteres Wachstum für den Winterflugplan 2022/23 in Aussicht gestellt werden. Auch Salzburg sollte laut Carey in der Streckenplanung eine hohe Priorität spielen, aber Corona hat alles durcheinander gewirbelt. Das Comeback zum Sommerflugplan 2022 wäre aber fix. Daraus wurde bekanntermaßen nichts.
Die Strategie von Wizz Air in Wien hat sich zwischenzeitlich geändert. Galt es einst um jeden Preis Marktanteile zu gewinnen und sich ganz offensichtlich mit Ryanair einen knallharten Wettbewerb zu liefern, ist nun die Priorität draußen. Man steckt nicht mehr so viel Energie in den Wiener Markt und dafür hat Varadi während einer Luftfahrtkonferenz im rumänischen Cluj zwei durchaus überraschende Begründungen geliefert: Einerseits ist ihm der Flughafen Wien-Schwechat zu teuer und andererseits stört ihn, dass Austrian Airlines von der Regierung mit Staatshilfe versorgt wurde sowie die Personalkosten künstlich mit Kurzarbeit in den Keller gedrückt hat. Letzteres “selbstverständlich auf Kosten der Steuerzahler”. Eine erhebliche Marktverzerrung habe stattgefunden und Wizz Air könne das Fluggerät ab “günstigeren Airports gewinnbringender einsetzen”.
Flughafen Wien lockte Wizz Air mit Preisnachlass
Eingeräumt hat Jozsef Varadi, der im Jahr 2019 behauptet hat, dass die Basis Wien hochprofitabel sein soll, aber nicht, dass man in Wien Miese gemacht habe. Auch will er nichts davon hören, dass der Wettbewerb mit Ryanair dem von ihm geleiteten Carrier in Wien das Leben schwer machen würde. Man stehe seit vielen Jahren an diversen Airports mit Ryanair im Konkurrenzkampf und Wettbewerb wäre eine gute Sache, so Varadi. Lieber poltert er über die Regierung, die mit der Staatshilfe für Austrian Airlines den Markt verzerrt habe und obendrein habe sich in Wien die Kostenstruktur ungünstig entwickelt.
Kein Wort verlor Jozsef Varadi über den Umstand, dass der Flughafen Wien im Nachgang der Pleiten von Air Berlin und Niki ein attraktives Incentive-Programm aufgelegt hat, um neue Carrier nach Wien zu locken. Dieses war so spannend für Fluggesellschaften, dass Laudamotion von Ryanair aufgekauft wurde, Wizz Air in Wien eine Basis eröffnet hat, die IAG Level Europe gegründet hat und weitere Billigflieger nach Wien gekommen sind. Übrig geblieben ist nicht viel, denn Level Europe ist pleite, Easyjet zog sich zurück, Wizz Air schrumpft in Wien und einige kleinere Lowcoster haben sich ebenfalls verabschiedet. Corona ist nicht die alleinige Ursache, denn nach dem Auslaufen von Incentive-Vereinbarungen gilt “Preis laut Tarif” und gerade Billigflieger sind dafür bekannt, dass Rabatte “mitgenommen” werden und wenn diese nicht fortgeführt werden verkleinert man sich oder macht eben die Fliege.
Varadi hebt Liquidität deutlich hervor
Einen möglichen Komplett-Rückzug aus Wien wollte Varadi nicht kommentieren. Sein schärfster Konkurrent Michael O’Leary, der zu so ziemlich allem einen Kommentar abgibt, prognostiziert die Schließung der Basis Wien. Fix ist lediglich, dass Wizz Air weniger Energie und Geld für Wien aufwenden wird.
Finanziell steht Wizz Air laut Jozsef Varadi gut da. Er verweist darauf, dass man rund 4,5 Milliarden Euro an flüssigen Mitteln zur Verfügung habe. Auf das geringe Fuel Hedging angesprochen, war der Manager nicht gut zu sprechen. Er ging auf eine entsprechende Frage gar nicht ein und erzählte lieber vom seiner Meinung nach geringen Treibstoffverbrauch der A320neo/A321neo-Flotte. Die jungen Maschinen würden dazu führen, dass die gestiegenen Spritpreise für Wizz Air weniger schmerzhaft sein sollen. Viel mehr prognostiziert der Manager, dass Legacy-Carrier schon bald große Probleme bekommen würden, denn deren Geschäftsmodelle wären zu komplex und zu teuer. Darüber hinaus sollen die Passagiere nicht dazu bereit sein diesen Fluggesellschaften so viel Geld für die Flugscheine bezahlen. Auch wären diese Klimasünder, so Varadi.
Angesprochen auf eine mögliche weitere Konsolidierung der Branche meinte der Wizz-Air-Chef, dass sich Legacy-Carrier immer mehr von Billigfliegern abschauen würden und dennoch hohe Ticketpreise verlangen würden. Wizz Air habe keinerlei Ambitionen einen anderen Carrier zu übernehmen oder mit einer oder mehreren Regionalfluggesellschaften zu kooperieren. Man wolle organisch wachsen. “Teuere Zukäufe defizitärer Fluggesellschaften sind etwas für Lufthansa, aber nicht für uns”, so Varadi.
ATC-Streiks sollen verboten werden
So ganz und gar nichts hält der Wizz-Air-Chef von Streiks der Fluglotsen. Diese solle man nach dem Vorbild der Vereinigten Staaten von Amerika gesetzlich verbieten, denn es könne nicht sein, dass völlig ohne Konsequenzen für ATC oder Gewerkschaften der Flugverkehr lahmgelegt werden kann und Streitigkeiten auf dem Rücken der Passagiere ausgetragen werden. Die Zeche würden die Airlines bezahlen, denn diese bleiben auf allen Kosten sitzen und haben den Zorn der Fluggäste, die nicht fliegen können, am Hals. Für den Sommer 2022 hofft Varadi, dass es zu keinen Streiks im Bereich der ATC kommt.
Während Varadi abermals ausgeschlossen hat, dass es mit dem Muster Airbus A321XLR zum Einstieg ins Transatlantik-Geschäft kommen könnte, kann er der Frachtvariante des A321 viel abgewinnen. Vor zwei Jahren hätte er noch über solche Cargoflugzeuge gelacht, aber nun sind diese verfügbar und “hochinteressant”. Er wollte nicht ausschließen, dass Wizz Air mittelfristig einige A321F anschaffen könnte und im Cargo-Business mitmischen wird. Kurzfristig habe man hierfür keine Pläne, aber man hält sich die Option offen.
In diesem Zusammenhang verweist Varadi auch darauf, dass man im Auftrag der ungarischen Regierung einen A330-Frachter betreibt. Sein Fazit dazu: “Wir verdienen damit eine Menge Geld und die ungarische Regierung verdient auch viel Geld damit. Eine Win-Win-Situation und vielleicht kommen irgendwann mal A321F in Eigenregie dazu, aber kurzfristig haben wir keine entsprechenden Pläne”.

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