Nordic Aviation Group in Schieflage: Ohne Hilfe von Regierung oder Investor wird es eng

Airbus A320 (Foto: Nordica).
Airbus A320 (Foto: Nordica).

Nordic Aviation Group in Schieflage: Ohne Hilfe von Regierung oder Investor wird es eng

Airbus A320 (Foto: Nordica).
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Die Finanzlage des Marabu-Airlines-Partners Nordica ist offenbar noch angespannter als bislang angenommen. Dem Carrier und seiner auf ACMI- und Charterdienstleistungen spezialisierten Tochtergesellschaft Xfly droht im dritten Quartal der Gang zum Insolvenzgericht, sofern bis dahin keine Lösung gefunden wird.

Beide estnischen Luftfahrtunternehmen gehören der Nordic Aviation Group, die wiederum vollständig im Staatsbesitz ist, an. Gegründet wurde Nordica als Nachfolger der Estonian Air, die aufgrund einer angeordneten Rückzahlung von Subventionen Insolvenz anmelden musste. Zunächst ging man im Rahmen einer Kooperation mit Adria Airways als virtueller Carrier an den Start.

Der Flugbetrieb wurde dann später von Regional Jet (heutige Xfly) durchgeführt und man kooperierte mit der polnischen Lot, die sich auch mit 49 Prozent beteiligt hatte. Diese Zusammenarbeit wurde mittlerweile aufgelöst und der Minderheitsanteil ging zurück an den Staat Estland. Nordica selbst hat erst seit weniger als einem Jahr AOC und Betriebsgenehmigung. Im Gegensatz zu Xfly, auf deren AOC Regionaljets und Turbopropflugzeuge, mit denen man hauptsächlich für andere Carrier fliegt, registriert sind, hat man bei Nordica auch mit der Einflottung von Airbus A320 begonnen.

Man sollte für Marabu Airlines, in deren Management man auch vertreten ist, der Hauptpartner sein und beim Aufbau des deutschen Ferienfliegers mithelfen. Allerdings scheint sich die mangelnde Erfahrung in Sachen Betrieb von Mittelstreckenflugzeugen äußerst nachteilig ausgewirkt zu haben. Auch ist es Nordica nicht gelungen ausreichend Personal für die Bases Hamburg und München anzuheuern. Dies dürfte nicht nur an der vergleichsweise niedrigen Bezahlung liegen, sondern durchaus auch an einer nicht alltäglichen Konstruktion in Sachen Anstellung.

Für die Nordic Aviation Group scheint sich die Zusammenarbeit mit Marabu Airlines zum Desaster zu entwickeln, denn man muss Schadenersatz für Flüge, zu deren Durchführung man sich vertraglich verpflichtet hat, jedoch aus unterschiedlichsten Gründen dazu nicht im Stande war bzw. ist, leisten. Dies muss nicht unbedingt in Form von Geldleistungen zu Gunsten von Marabu Airlines sein, denn Nordica hat wiederholt Ersatz in Form von eigemieteten Maschinen anderer Betreiber gestellt, jedoch ist auch dies enorm teuer und erst recht, wenn der „Sub vom Sub“ kräftig Verspätungen fabriziert.

Mangelnde Erfahrung für Marabu-Auftrag bringt den ganzen Konzern ins Wanken

Eigentlich hat sich das mittlerweile zu einem erheblichen Teil abgetretene Nordica-Management mit der Marabu-Kooperation den ganz großen Wurf erhofft. Ja, vielleicht spekulierte man gar darauf eine Art fliegende Gelddruckmaschine an Land gezogen zu haben, denn in Osteuropa vermuten viele Manager, dass in Deutschland in Sachen ACMI- und Ferienflüge viel Geld zu verdienen ist. Nordica hat es jedenfalls geschafft, dass man so richtig kräftig draufzahlt.

So kräftig, dass das Management die Regierung erst kürzlich auf die mittlerweile prekäre Finanzlage aufmerksam machen musste. Diese zieht aber nicht nur Nordica in den Abgrund, sondern auch die eigentlich profitable Tochter Xfly. Deren Einnahmen werden regelrecht aufgefressen. Laut lokalen Medienberichten ist die Finanzlage mittlerweile so beengt, dass im dritten Quartal des laufenden Jahres der Gang zum Insolvenzrichter notwendig werden könnte und zwar sowohl für Nordica als auch für die mit in den Strudel gerissene Xfly.

Der Ball liegt nun bei der Regierung, die, sofern ihr etwas an der Nordic Aviation Group liegt, einen Investor finden muss oder selbst frisches Geld zuschießen muss. Letzteres dürfte kompliziert werden, denn in Estland hat man noch in guter Erinnerung, dass Zuschüsse, die man an Estonian gewährt hatte, nachträglich von der EU-Kommission und anschließend vom EuGH für illegal erklärt wurden. Dies führte zum Kollaps und das wusste man. Deshalb wurden Nordica und Xfly hochgezogen. Von einem Regio-Carrier für Estland ist man aber sehr weit entfernt, denn wozu ein Staat einen ACMI-Carrier für Airlines wie SAS oder Tap betreibt, war nicht mal dem Verkehrsministerium klar. Es deutete sich schon länger an, dass Xfly möglicherweise verkauft werden könnte. Unter anderem aus diesem Grund hat man Nordica AOC und Betriebsgenehmigung plus ein paar wenige Linienflüge verpasst. Die Strategie die das Management gewählt hat, ging aber dann erst recht in Richtung Charter und ACMI. Besonders was den Marabu-Auftrag anbelangt hat man sich ganz offensichtlich total verhoben und damit den gesamten Konzern ins Wanken gebracht.

Air Baltic will auf keinen Fall übernehmen

Wenig überraschend: Die Blicke gehen nun ins Nachbarland zur Air Baltic, denn in gewisser Weise gibt es Hoffnungen, dass der Mitbewerber die angeschlagene Nordic Aviation Group übernehmen könnte. Dem gibt Firmenchef Martin Gauss aber einen Korb, denn man wolle nicht mal dann, wenn das Management ausgetauscht wird und die beiden estnischen Airlines profitabel werden, übernehmen. Der Grund ist simpel: Was soll Air Baltic, die in Tallinn selbst eine Basis unterhält, überhaupt mit zwei weiteren Fluggesellschaften? Zumindest innerhalb der EU benötigt man keine „lokalen AOCs“ und überhaupt: Air Baltic verfolgt das One-Company-Konzept mit einer A220-300-Einheitsflotte und da passen zwei operative Töchter samt einem ganzen Wirrwarr von Flugzeugen so ganz und gar nicht ins Konzept.

Die Entscheidungen der nächsten Wochen werden also zeigen wie es mit Nordica weitergeht. Bei Marabu haben bereits zahlreiche erfahrene Condor-Mitarbeiter viele Aufgaben, die bislang von Nordica-Leuten erledigt wurden übernommen. Damit löst man auch Abhängigkeiten vom bisherigen Partner auf, denn im Falle eines Kollapses der Nordic Aviation Group hätte dies sonst Auswirkungen auf Marabu. Für die ACMI-Dienstleistungen, die die Condor-Schwester braucht, hat man ohnehin bereits Ersatz gefunden, so dass man auch ganz ohne Nordica auskommt. Bezüglich der sonstigen Dienstleistungen, die bislang von Nordica im Auftrag von Marabu erledigt wurden, hat man in vielen Bereichen die eigene Konzernschwester Condor beauftragt bzw. bei dieser die eine oder andere Fachkraft „ausgeliehen“. Dies dürfte auf jeden Fall teurer sein als zuvor bei Nordica, jedoch unter dem Strich billiger, weil die Probleme, die Marabu einen zweifelhaften Ruf eingebracht haben, in den letzten Wochen massiv zurückgegangen sind. Bei Condor hat man eben eine lange Erfahrung mit dem Maschinentyp Airbus A320. Attestor hätte sich viel Geld und Ärger sparen können, wenn man bedacht hätte, dass Nordica ein totaler A320-Neuling ist.

Wie es mit Xfly und Nordica weitergeht, dürfte in erster Linie in den Händen der Regierung liegen und dann hängt es davon ab, ob diese selbst kapitalisieren möchte, darf oder kann bzw. einen schnellen Verkauf an einen Investor, sofern sich einer findet, einleitet.

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