Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit wirft der Lufthansa-Konzernführung vor, dass diese in ihrer am 17. Feber 2021 veröffentlichten Pressemitteilung die Schließung der Flugschule in Bremen verschleiert habe.
„Bewusst nutzt die Lufthansa das Unwissen konzernexterner Personen aus, die nicht über die Hintergründe der firmeninternen Strukturen informiert sind. Die Verkehrsfliegerschule der Lufthansa AG wurde 1955 gegründet. Der theoretische Teil der Ausbildung findet in Bremen statt, die Praxis in Bremen und Goodyear (Arizona). Seit 2017 firmiert die Pilotenschule unter Lufthansa Aviation Training Germany am Standort Bremen (LAT DE Bremen), an welcher bislang für alle Angestellten, die im Lufthansa Konzern gültigen Tarifverträge gelten. Neben der traditionsreichen Pilotenschule der LAT DE existiert seit 2001 die Lufthansa Aviation Training Pilot Academy (LAT PA) – eine weitere Flugschule, in der die sonst im Lufthansa Konzern gültigen Tarifverträge keine Anwendung finden. Die Angestellten dort arbeiten zu deutlich schlechteren Rahmenbedingungen als die Mitarbeitenden der LAT DE. Diese Schule unterrichtet die Theorie ebenfalls in Bremen, der praktische Teil findet am Flughafen in Rostock-Laage statt“, schreibt die Vereinigung Cockpit in einer Aussendung.
Rundschreiben besagt „gesamthafte Schließung“
Intern wurde allerdings laut VC gänzlich anders kommuniziert. So sollen die Bremer Mitarbeiter von Lufthansa Aviation Training just am 17. Feber 2021 ein Anschreiben bekommen haben, dass die Flugschule bis Mitte 2022 „gesamthaft geschlossen wird“. Dazu Betriebsratsvorsitzende Monika Kremer: „Die Zusage, dass der Standort Bremen als Theoriekompetenzzentrum für die Pilotenausbildung erhalten bleibt, während die fliegerische Ausbildung komplett nach Rostock-Laage verlagert wird, bedeutet daher trotzdem, dass alle Angestellten der LAT DE, insgesamt über 100 Personen am Standort Bremen, ihren Arbeitsplatz verlieren“. In der Öffentlichkeit kommunizierte Lufthansa gänzlich anders.
„Die Lufthansa begeht nicht nur Tarifflucht, sondern handelt im höchsten Maße unethisch“, so Peter-Helmut Hahn, Vorsitzender der Personalvertretung der Fluglehrer. „Die Deutsche Lufthansa AG und ihre Konzerntöchter haben während der Coronapandemie eine Staatshilfe in Milliardenhöhe erhalten. Dennoch wurden nicht nur bereits Probezeitkündigungen ausgesprochen und befristete Verträge nicht verlängert, sondern nun sollen zudem Kündigungen für Mitarbeitende ausgesprochen werden, die seit Jahrzehnten bei Lufthansa arbeiten.“
Gewerkschaften üben heftige Kritik
Franz Hartmann, Verdi-Gewerkschaftssekretär, ergänzt: „Letztendlich betreibt die Lufthansa Aviation Training mit Ihrem Vorgehen aktiv Tarifflucht und eine Restrukturierung auf Staatskosten. Die erhaltenen Steuergelder werden nicht zum sozialverträglichen Erhalt von Arbeitsplätzen verwendet, sondern vielmehr für eine gewinnbringende Neuausrichtung der Pilotenschule.“
Für die Vereinigung Cockpit kritisiert Dr. Marcel Gröls, Vorsitzender Tarifpolitik, die Verweigerung der Politik, sich hier ordnend zu Wort zu melden: „Die Bundesregierung zieht sich bei der Lufthansa mit dem Standpunkt aus der Affäre, man mische sich nicht ins Tagesgeschäft ein. Die Lufthansa macht hier aber kein Tagesgeschäft, sondern trifft Grundsatzentscheidungen: Gegen Tradition, Qualität und Tarifbindung. Wenn sich der Bundeswirtschaftsminister hierfür nicht interessiert, kann er auch konsequenterweise die beiden Staatsvertreter aus dem Aufsichtsrat zurückziehen.“