Fahrt über die noch unfertige Straße (Foto: grossglockner.at).
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Vor 90 Jahren: Die historische Erstbefahrung der Großglockner Hochalpenstraße

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Am 22. September 1934 schrieb Österreich Geschichte, als der damalige Salzburger Landeshauptmann Franz Rehrl als erster Mensch das beeindruckende Bergmassiv der Hohen Tauern mit einem Automobil überquerte.

Dieses Ereignis markierte nicht nur einen Meilenstein in der Erschließung des Hochgebirges, sondern auch in der technischen und touristischen Entwicklung des Landes. Die Fahrt fand ein Jahr vor der offiziellen Eröffnung der Großglockner Hochalpenstraße statt und symbolisierte den Triumph der Technik über die natürlichen Barrieren der Alpen.

Ein politischer Visionär und die Geburt einer Panoramastraße

Franz Rehrl, der von 1922 bis 1938 als Landeshauptmann von Salzburg amtierte, war die treibende Kraft hinter dem Bau der Großglockner Hochalpenstraße. In einer Zeit, in der der Automobilverkehr noch in den Kinderschuhen steckte, erkannte Rehrl früh die touristische Bedeutung einer modernen Alpenstraße. Seine Vision war es, den Besuchern der Stadt Salzburg den Zugang zu den unberührten Schönheiten der Hohen Tauern zu ermöglichen und gleichzeitig das Hochgebirge für den Tourismus zu erschließen. Die Großglockner Hochalpenstraße sollte dabei nicht nur als eine technische Meisterleistung gelten, sondern auch als eine harmonische Verbindung von Natur und Kultur fungieren.

Neben seinen politischen Ambitionen war Rehrl auch ein passionierter Autoliebhaber, was ihn dazu veranlasste, das waghalsige Vorhaben einer Erstbefahrung der unvollendeten Straße in Angriff zu nehmen. Begleitet wurde er von Franz Wallack, dem Ingenieur und Straßenplaner, der den Bau der Straße maßgeblich leitete. Trotz großer Bedenken, insbesondere da der Mittertörltunnel zu dieser Zeit lediglich ein in den Fels geschlagener Fußweg war, wurde unter Hochdruck an der Befahrbarkeit der Straße gearbeitet.

Fahrt über die noch unfertige Straße (Foto: grossglockner.at).

Prestigeprojekt für Dollfuß und Schuschnigg

Am 3. August 1935 wurde die Großglockner Hochalpenstraße feierlich eröffnet, ein Projekt, das nicht nur als technisches Meisterwerk galt, sondern auch eine zentrale Rolle in der wirtschaftlichen und politischen Entwicklung Österreichs spielte. Bundeskanzler Dr. Kurt Schuschnigg vollzog die feierliche Eröffnung und setzte damit ein starkes Zeichen für den Wiederaufbau und die Modernisierung des Landes in einer politisch unruhigen Zeit. Die Errichtung der Panoramastraße, die Salzburg und Kärnten über das Hohe Tauern-Gebirge verbindet, war jedoch nicht allein das Werk Schuschniggs, sondern begann unter der Führung seines Vorgängers, Dr. Engelbert Dollfuß.

Dr. Engelbert Dollfuß (Foto: Archiv/gemeinfrei).

Der diktatorisch regierende Politiker, der von 1932 bis 1934 als Bundeskanzler Österreichs amtierte, spielte eine zentrale Rolle bei der Entscheidung, die Großglockner Hochalpenstraße zu bauen. In einer Zeit wirtschaftlicher Notlagen, geprägt durch die Weltwirtschaftskrise und hohe Arbeitslosigkeit, suchte Dollfuß nach Projekten, die Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig die touristische Infrastruktur des Landes verbessern sollten. Er erkannte die Bedeutung einer alpinen Straßenverbindung nicht nur für den heimischen Tourismus, sondern auch als nationales Prestigeprojekt.

Unter seiner Führung wurde das Projekt vorangetrieben, wobei der Bau bereits im Jahr 1930 begann. Die Straße sollte nicht nur die beiden Bundesländer Salzburg und Kärnten miteinander verbinden, sondern auch eine der beeindruckendsten Hochgebirgsstraßen der Welt werden. Dollfuß sah in dem Projekt eine Möglichkeit, die wirtschaftlichen Herausforderungen der Zeit zu bewältigen und Österreichs Stellung als Reisedestination zu stärken. Insbesondere nach dem Tod von Dr. Dollfuß versuchte das Regime, das nun unter Führung von Dr. Schuschnigg stand, einen regelrechten Gedenk-Personenkult um den verstorbenen Bundeskanzler zu etablieren. Zahlreiche Gedenkstätten wurden errichtet. Auf der Hohen Wand existiert die so genannte „Dr.-Dollfuß-Gedächtnisstätte“ noch heute, mehr dazu in diesem Artikel bei Aviation.Direct.

Kurt Schuschnigg: Vollender und Eröffner der Großglockner Hochalpenstraße

Nach dem Tod von Engelbert Dollfuß, der 1934 einem Attentat zum Opfer fiel, übernahm Dr. Kurt Schuschnigg das Amt des Bundeskanzlers. Obwohl Dr. Dollfuß die treibende Kraft hinter der Errichtung der Großglockner Hochalpenstraße war, war es Schuschnigg, der das Projekt zu seinem Abschluss brachte und die offizielle Eröffnung der Straße leitete, da Dr. Dollfuß zum Zeitpunkt der Fertigstellung nicht mehr lebte. Für Dr. Schuschnigg war die Fertigstellung der Straße nicht nur ein Zeichen für Österreichs technischen Fortschritt, sondern auch eine Hommage an seinen ermordeten Vorgänger und Freund.

In seiner Eröffnungsrede würdigte Schuschnigg die Bedeutung der Straße als ein Symbol für den österreichischen Wiederaufbau und die wirtschaftliche Erholung nach den Krisenjahren. Er betonte auch den Wert der Straße für den Tourismus und die alpine Erschließung des Landes. In seinen Worten: „Diese Straße ist nicht nur ein Werk der Ingenieurskunst, sondern auch ein Symbol für den Willen unseres Volkes, die Natur zu meistern und gleichzeitig die Schönheit der Alpen zugänglich zu machen.“

Schuschnigg hob außerdem die Rolle von Engelbert Dollfuß hervor und bezeichnete die Straße als „Denkmal für die Vision und den Mut meines Vorgängers“, der trotz schwieriger politischer und wirtschaftlicher Bedingungen das Projekt initiiert hatte. Schuschnigg erklärte weiter: „Es ist unser gemeinsames Ziel, Österreich durch Projekte wie diese zu stärken und zu zeigen, dass unser Land in der Lage ist, trotz aller Widrigkeiten Großes zu leisten.“

Dr. Kurt Schuschnigg (Foto: Archiv/gemeinfrei).

Die Eröffnungsfeier: Ein Fest der nationalen Einheit

Die Eröffnung der Großglockner Hochalpenstraße war ein großes Ereignis, das unter breiter öffentlicher Aufmerksamkeit stand. Tausende von Menschen säumten die Straße, um die Durchfahrt der ersten Autos zu sehen, und feierten das neue technische Meisterwerk. Die offizielle Zeremonie fand am Hochtor, dem höchsten Punkt der Straße, statt und umfasste Reden von Schuschnigg und anderen Würdenträgern. Es war ein Fest der nationalen Einheit, das das Selbstbewusstsein des Landes in einer schwierigen Zeit stärken sollte.

Die Fertigstellung der Straße war auch ein Zeichen dafür, dass Österreich trotz der politischen Spannungen und Unruhen dieser Zeit in der Lage war, große Infrastrukturprojekte zu vollenden. Die Straße verband nicht nur Salzburg und Kärnten, sondern symbolisierte auch die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung und Stabilität.

Für Schuschnigg war die Eröffnung der Straße ein Triumph, der symbolisierte, dass Österreich in der Lage war, trotz der politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten der 1930er Jahre seinen eigenen Weg zu gehen und Erfolg zu haben. Er verband das Projekt auch mit seiner politischen Agenda, die den Ausbau der österreichischen Infrastruktur und die Förderung des nationalen Zusammenhalts betonte.

Die abenteuerliche Erstbefahrung im modifizierten „Steyr 100“

Für die zu Beginn dieses Artikels erwähnte historische Fahrt wählte Rehrl einen „Steyr 100“, ein österreichisches Automobil, das eigens für die Überquerung modifiziert wurde. Der Wagen, der normalerweise eine Breite von 1,58 Metern hatte, passte mit nur sieben Zentimetern Spielraum durch die engsten Stellen der unfertigen Straße, die lediglich 1,65 Meter breit war. Die Straße selbst befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in einem Rohbauzustand und bestand weitgehend aus grobem Untergrund, was die Fahrt zu einem riskanten Abenteuer machte.

Am 22. September 1934 war es schließlich so weit: Rehrl und Wallack begannen ihre Fahrt in Heiligenblut und überquerten das Hochtor auf dem Weg nach Ferleiten. Die Fahrt, die unter heutigen Standards als extrem gefährlich eingestuft werden würde, dauerte fast sieben Stunden – fünf Stunden für die Hin- und zwei Stunden für die Rückfahrt. Diese „sportliche Herausforderung“, wie sie oft beschrieben wird, bewies nicht nur Rehrls fahrerisches Können, sondern war auch eine wichtige Etappe in der erfolgreichen Fertigstellung des Straßenprojekts.

Fahrt über die noch unfertige Straße (Foto: grossglockner.at).

Symbolkraft der Erstbefahrung

Die symbolische Bedeutung der Erstbefahrung war immens. Sie stellte einen ersten Erfolg für die Arbeiter und Ingenieure dar, die an diesem anspruchsvollen Projekt arbeiteten, und gab einen Vorgeschmack auf die touristischen und wirtschaftlichen Potenziale der Straße. Gleichzeitig diente die Fahrt als Werbemaßnahme für die bevorstehende offizielle Eröffnung im August 1935. In einer Zeit, die von politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen geprägt war, war der Bau der Großglockner Hochalpenstraße ein Leuchtturmprojekt, das den Fortschritt Österreichs in der Infrastruktur und den wirtschaftlichen Wiederaufbau symbolisierte.

Darüber hinaus spielte die Großglockner Hochalpenstraße eine bedeutende Rolle in der touristischen Erschließung der Alpenregion. Sie ermöglichte es den Menschen, die beeindruckende Bergwelt hautnah zu erleben, und trug dazu bei, den Großglockner, den höchsten Berg Österreichs, zu einer internationalen Touristenattraktion zu machen. Die Straße selbst wurde zu einem Wahrzeichen für die Verbindung von moderner Ingenieurskunst und der majestätischen Natur der Alpen.

Die Herausforderungen der Bauarbeiten und die offizielle Eröffnung

Nach der erfolgreichen Erstbefahrung wurden die Bauarbeiten an der Straße fortgesetzt. Der Winter stellte eine besondere Herausforderung dar, da die Arbeiten aufgrund der extremen Wetterbedingungen in den Hochlagen nur in den Sommermonaten durchgeführt werden konnten.

Doch trotz dieser Hindernisse konnte die Straße planmäßig am 3. August 1935 offiziell durch Bundeskanzler Dr. Kurt Schuschnigg eröffnet werden. Die Großglockner Hochalpenstraße verband fortan Salzburg mit Kärnten und ermöglichte eine der spektakulärsten Autofahrten durch die Alpen.

Fahrt über die noch unfertige Straße (Foto: grossglockner.at).

Die Bedeutung der Großglockner Hochalpenstraße heute

Die Großglockner Hochalpenstraße hat sich seit ihrer Eröffnung zu einer der bekanntesten Panoramastraßen der Welt entwickelt und zieht jährlich hunderttausende Touristen an. Sie symbolisiert den Triumph der menschlichen Technik über die Herausforderungen der Natur und bleibt ein beeindruckendes Beispiel für die Ingenieurskunst der 1930er Jahre.

Das historische Fahrzeug, ein „Steyr 100“, mit dem Franz Rehrl und Franz Wallack die Hohen Tauern erstmals mit dem Auto überquerten, kann heute in Österreichs höchster Automobilausstellung auf der Kaiser-Franz-Josefs-Höhe besichtigt werden. Die Ausstellung bietet einen faszinierenden Einblick in die Geschichte der Straße und das technische Erbe, das sie hinterlassen hat.

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1 Comment

  • Wolfgang Ludwig , 20. September 2024 @ 16:19

    Ein sehr interessanter Artikel!

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