Ein durchaus kompliziertes Thema ist für den Lowcoster Wizz Air, dass man im Zuge der Corona-Pandemie aus dem Fuel Hedging ausgestiegen ist. Carey meinte, dass man damals der Ansicht war, dass bei diesen Geschäften lediglich die Banken und Ölgesellschaften gewinnen würden. Erst vor ein paar Wochen gab man bekannt, dass man die Preisabsicherungsgeschäfte wieder aufgenommen hat.
Der aktuelle Stand der Dinge ist, dass Wizz Air laut dem Firmenpräsidenten momentan nur einen ganz kleinen Teil des Kerosinbedarfs zu abgesicherten Preisen bezieht und den Rest zum jeweils gültigen Pumpenpreis einkaufen muss. Das bedeutet, dass der Billigflieger derzeit deutlich mehr bezahlt als beispielweise die Mitbewerber Ryanair oder Wizz Air. Allerdings vertritt Carey die Ansicht, dass dies halb so wild ist, da in etwa sechs Monaten auch jene Fluggesellschaften, die momentan von abgesicherten Preisen profitieren zu höheren Preisen tanken müssen.
Der Manager der Billigfluggesellschaft prognostiziert daher, dass in der gesamten Luftfahrtbranche die Preise steigen werden. Bei Wizz Air liege der durchschnittliche Ticketpreis derzeit zwischen 65 und 70 Euro und damit zwischen fünf und zehn Prozent über dem Niveau, das man im Sommer 2019 hatte. Zwischen den bereits vollzogenen Preiserhöhungen und dem stark gestiegenen Treibstoffpreis befindet sich eine große Lücke, die sich vermutlich innerhalb von 12 Monaten weiter schließen könnte.
Allerdings betonte Robert Carey auch, dass es sich beim von ihm bezifferten Betrag nicht um den „Grundpreis“ – also nur Flug mit kleinem Handgepäckstück, ohne Extras – sondern um „All-In“, sprich was die Passagiere tatsächlich inklusive optionaler Zusatzleistungen, bezahlen würden. Im krassen Widerspruch dazu steht, dass Wizz Air seit vielen Monaten beinahe täglich neue Rabatt-Angebote auf den Markt wirft. Es gibt aber eine einfache Erklärung dazu, über die das Unternehmen freilich nicht gerne spricht.
Nicht die 9,99 Euro-Tickets wurden teurer, sondern die „Extras“ wie Koffer
Fast im gesamten Streckennetz hat man die Grundpreise überhaupt nicht verändert. Diese berühmten 9,99-Euro-Tickets gibt es weiterhin und je nachdem um welche Route es sich handelt, mal häufiger, mal fast nie. Die Kosten für Zusatzleistungen wie Sitzplatzreservierungen, Priority-Paket (für die Mitnahme von Handgepäcktrolleys erforderlich) und Aufgabe von Gepäckstücken wurden erhöht. Je nachdem wie viel Wettbewerb auf der jeweiligen Route ist, zum Teil äußerst saftig. Wizz Air praktiziert auch bei Zusatzleistungen dynamisches Pricing, so dass sich keine klare Aussage machen lässt, dass zum Beispiel ein Sitz irgendwo mitten im Flugzeug etwa zehn Euro kostet. Das kann sein, aber es kann auch sein, dass 30 Euro für die Reservierung verlangt werden.
Ein konkretes Beispiel: Laut Wizz-Air-Homepage wurden bei einer Musterabfrage, die am 6. Juli 2022 für einen Oneway-Flug am 17. Juli 2022 von Wien nach Chania (Kreta) im Basic-Tarif (nur kleines Handgepäckstück inkludiert) 29,99 Euro verlangt. Die Mitnahme eines 20-Kilogramm-Gepäckstücks würde 55 Euro zu Buche schlagen. Für das Priority-Paket, das notwendig ist, wenn man einen Trolley als Handgepäck mitnehmen möchte, werden 27 Euro fällig. Die günstigste Sitzplatzreservierung, die zum Zeitpunkt der Abfrage angezeigt wurde, kostete 18 Euro. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Check-In am Schalter kostenpflichtig ist und mit mindestens zehn Euro (bei Vorab-Buchung) zu Buche schlägt. Erscheint man ohne vorherigen Web-Check-In am Counter, wird es erheblich teurer.
Passagiere ohne Trolleys und/oder Handgepäck sind auf Urlaubsstrecken selten
Festhalten lässt sich, dass es bei Wizz Air nicht gerade selten vorkommt, dass das Gepäckstück teurer mitfliegt als der Passagier. Da gerade auf Urlaubsstrecken viele Passagiere zumindest das Priority-Paket, oftmals jedoch auch ein 20-Kilogramm-Gepäckstück dazu kaufen, ist der von Carey genannte „Durchschnittspreis“ eher niedrig angelegt. Günstig kann man mit Lowcostern wie Wizz Air nur dann fliegen, wenn man flexibel ist und akribisch nach dem billigsten Basis-Ticket sucht und rein gar nichts dazu kauft. Der Billigflieger verdient dann netto keinen Cent und zahlt insbesondere bei 9,99-Euro-Aktionen sogar kräftig drauf, denn allein die Flughafen-Taxen sind höher. Da solche Passagiere die absolute Ausnahme sind, nimmt man diese Minderheit in Kauf, denn die Mehrheit lässt viel Geld für Koffer und Co liegen. Im Bereich der Zusatzleistungen hat Wizz Air die Preise deutlich angehoben, auch wenn man es nicht gerne zugibt und lieber darauf verweist, dass es unter dem Strich im Schnitt nur um „unter zehn Euro“ teurer geworden ist. Die „Marktschreier-Preise“ für den reinen Flug mit kleinem Handgepäckstück hat man ja nicht angetastet und das natürlich aus Wettbewerbsgründen, denn viele Passagiere lassen sich von 9,99 Euro verleiten und dass es mit allen Extras, die man während dem Buchungsvorgang so ankreuzt, dann locker 100 Euro und mehr für den Oneway kostet, merken dann viele nicht mehr, denn das Schnäppchengefühl der 9,99 Euro überwiegt.
Nicht nur bei Wizz Air, sondern auch bei anderen Fluggesellschaften wurden die so genannten Extraleistungen, die vor dem Aufkommen von „Baukastensystemen“ noch selbstverständlich waren, zum Teil deutlich erhöht. Quer durch den „Gemüsegarten“ der Airlines findet man Erhöhungen, die mal minimal sind, mal saftig. Da die meisten Anbieter dynamisches Pricing nutzen, kann man keine klare Aussage dazu machen wer besonders kräftig zusätzlich zur Kasse bittet.
Alle Fluggesellschaften und besonders Billigflieger verdienen mit hohen Ladefaktoren und dem Verkauf möglichst vieler Zusatzleistungen, die den Yield nach oben treiben, ihr Geld. Daraus macht auch Wizz-Air-President Robert Carey keinen Hehl. „Hohe Loadfactors sind der Schlüssel zum Erfolg“, so der Manager. Dazu kommt der intensive Wettbewerb, der sich trotz oder vielleicht auch wegen Corona keinesfalls geschwächt hat. Bei Wizz ist man davon überzeugt, dass sich die Passagiere gerade in Zeiten wie diesen für den günstigsten Anbieter entscheiden werden. Und genau in diesem Zusammenhang sieht man sich auch gegen Mitbewerber wie Ryanair und Easyjet bestens aufgestellt und betont, dass man weiterhin die niedrigsten Gestehungskosten habe.