Thessaloniki ist nicht unbedingt der Reisehotspot in Griechenland. Für diejenigen, die den Süden des Landes oft bereist haben, lohnt sich ein Trip in die Metropole Nordgriechenlands und deren Umgebung aber dennoch.
Die Zahl der Flugverbindungen von Mitteleuropa nach Thessaloniki ist deutlich geringer als in den Süden, auch das Reisepublikum ist ein anderes: Es sind vor allem Mitglieder der griechischen Community in Österreich, Studierende und Transitreisende, aber wenig Urlauber, die die Flüge frequentieren.
Dennoch hat die Stadt (im Großraum leben an die 800.000 Menschen) einiges zu bieten, was Athen nicht hat: Das römische Forum mit der unterirdischen antiken Shopping Mall ist ein absoluter Hit, ebenso der Kuppelbau der Rotonda aus dem 4. Jh. mit Mosaiken fast wie in Ravenna und ein großartiges Archäologisches Museum, das nicht nach Epochen, sondern nach Lebensbereichen gegliedert ist. Und nicht zu vergessen: Kemal Pascha Atatürk, der vor hundert Jahren die Türkische Republik gegründet hatte, wurde hier geboren. Sein Geburtshaus ist ein Pilgerort laizistisch orientierter Türken.
Fährt man mit dem Auto gegen Süden, kommt man nach knapp einer Stunde zu der westlichen der drei fingerartigen Halbinseln von Chalkidiki, der Halbinsel Kassandra, benannt nach einer Tochter der Priamos, bekannt als tragische Figur der Antike, deren Warnungen niemand hören wollte.
Doch hier geht es nicht um die antike Schönheit, Strände, oder Ausgrabungen, auch nicht um einen See mit Schildkröten oder Urlauber, die vor allem aus Thessaloniki, Nordmazedonien und Albanien kommen, sondern um den auffällig schmalen Zugang zu der Halbinsel, die genau genommen eine Insel ist.
Extrem schmaler Zugang
Durch unterschiedliche tektonische Hebungsvorgänge im Zuge von Plattenverschiebungen im Miozän (ab vor ca. 25 Mio. Jahren) kam es zu partiellen Anhebungen. Berge stiegen als Inseln empor, Gebirge falteten sich auf, Vulkane veränderten die Landschaft, andere Teile blieben fast auf Meeresniveau.
Heute präsentiert sich der Zugang zur (Halb)insel ziemlich flach und vor allem mit 1,2 km extrem schmal. Das brachte schon Menschen in der Antike auf die Idee, hier einen Kanal durchzubrechen und half den Schiffen, die damals meist in Küstennähe unterwegs waren, den Weg Richtung Thessaloniki deutlich zu verkürzen.
Der Kanal wurde möglicherweise schon um 315 v.Chr. erbaut, ist bis zu 40m breit und ca. 4m tief. Im Lauf der Geschichte wurde der Kanal immer wieder neu ausgehoben, verbessert und ist heute noch in Betrieb. Wenn man bei Nea Potidea von der Schnellstraße abfährt, kommt man direkt zum Ufer.
Ein kleines Städtchen am Kanal
Im 5. Jahrhundert v. Chr., lange vor dem Kanalbau, brachte es Potidea sogar zu ansehnlichem Wohlstand: Einige der Schiffe aus Kleinasien luden ihre Waren hier ab, Händler boten sie am örtlichen Markt an und verteilten sie in Makedonien. Wer Handel treibt, benötigt eine gute Währung, und die konnte Potidea auch bieten. Was braucht man mehr? Was man in Potidea aber garantiert nicht brauchte, war der makedonische König Philipp II, der das Städtchen
356 v. Chr. eroberte und völlig zerstörte. Der Kanal dürfte kurz danach dennoch gebaut worden sein, die Quellenlage ist aber unsicher. Erst im 15. Jahrhundert gibt es gesicherte Quellen, dass ein byzantinischer Kaiser den Wasserweg Richtung Thessaloniki wieder neu ausheben ließ. Während der osmanischen Herrschaft wird der Kanal lange nicht erwähnt, im 19. und 20. Jahrhundert gab es wieder historisch gesicherte erneute Renovierungsmaßnahmen.
Natürlich, der Panamakanal ist mit über 80 km Länge einiges größer als der 1,2 km lange Minikanal in Griechenland. Aber irgendwie denkt man, wenn man am Ufer steht, natürlich schon an den großen Bruder in Mittelamerika.
Doch hier, am Isthmus von Kassandra, geht es bedeutend beschaulicher zu. Einige wenige Segelboote und noch weniger Fischerboote schaukeln im Hafen, die üblichen Tavernen, ein paar Strände… und deutlich weniger Besucher als in so machen anderen Orten Griechenlands.
Wer übrigens von Thessaloniki nach Athen fliegt, hat kurz nach dem Start einen schönen Blick auf den links gelegenen Isthmus von Kassandra.
Ein Wintertipp: Bis 11. Februar 2024 findet an 19 Standorten in Thessaloniki die Fotobiennale statt. Die Themen sind je nach Standort unterschiedlich. Im Fotomuseum gibt es z.B. eine interessante Auseinandersetzung des Spaniers Daniel Mayrit mit politischer Fake – Fotografie („One of Yours“). Im Goethe – Institut stellt Ioustini Drakoulakou Studien zur Farbe Türkis aus, das Museum of Modern Art zeigt bis 7.4. „Nudes“ von Man Ray.
Dieser Beitrag wurde verfasst von: Mag. Wolfgang Ludwig
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