Air Atlantis: Acht Jahre geflogen, 22 Jahre ein Fall für Gerichte

Boeing 707 (Foto: Perry Hoppe).
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Air Atlantis: Acht Jahre geflogen, 22 Jahre ein Fall für Gerichte

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Die Charterfluggesellschaft Air Atlantis war zwar nur zwischen 1985 und 1993 in der Luft, jedoch beschäftigte die Justiz der Betriebsübergang auf die Muttergesellschaft Tap Air Portugal noch sehr lange. 22 Jahre lang wurde vor Gericht gestritten und erst dann gab es eine endgültige Lösung.

In den 1980er Jahren war der europäische Flugverkehr weitgehend reguliert. Bilaterale Abkommen zwischen Staaten regelten nicht nur wer auf welcher Strecke fliegen darf, sondern auch gleich die Ticketpreise, die damals noch meist in den Flugplanheften abgedruckt waren. In den meisten Fällen war der Linienverkehr den so genannten Flagcarriern vorbehalten. Private Gesellschaften bekamen nur in Ausnahmefällen Verkehrsrechte zugesprochen oder mussten sich anderweitig umsehen.

Charterflüge konnte man wesentlich einfacher auf die Beine stellen, denn für diese konnte man vergleichsweise einfach eine Genehmigung verlangen. Oftmals war vorgeschrieben, dass diese Teil einer Pauschalreise sein mussten. Gelegentlich gründeten die Airlines dann ihre eigenen Tour Operators und auf Routen, die offensichtlich eher linienmäßig waren, inkludierte man „auf dem Papier“ billigste Absteigen, da diese zumeist ohnehin nicht in Anspruch genommen wurden. Und wenn schon, dann musste man wenigstens nicht sonderlich viel Geld für die Unterkunft des Passagiers ausgeben.

Verluste angehäuft, „Rekordgewinn“ war eine Kapitalerhöhung

Auch Tap Air Portugal wollte in den 1980er-Jahren am wachsenden Chartermarkt teilhaben und gründete rasch, also nach jahrelanger Beratung und einige von der Regierung eingesetzter „Expertenkommissionen“ später, die Tochtergesellschaft Air Atlantis. Diese hob im Jahr 1985 ab und war unter anderem mit den Mustern Boeing 707, 727 und 737 aktiv.

Gerechnet hatte sich die Charterairline unter staatlicher Regie, denn damals war Tap im Eigentum Portugals, nie. Das genaue Gegenteil war der Fall, denn man steigerte Jahr für Jahr die Verluste und dann zog die Regierung den Stecker aus dem Abenteuer. Der Carrier wurde aufgelöst, also in die Muttergesellschaft Tap Air Portugal fusioniert. Übrigens war Tap selbst in diesem Zeitraum auch nicht profitabel, denn der Flagcarrier galt damals als fliegende Geldvernichtungsmaschine. Doch dem Management war die Gründung des Ablegers durchaus recht, denn man konnte die ältesten Jets zu Air Atlantis „abschieben“ und der Regierung neuere Flugzeuge „abluchsen“.

Vor der Zusammenlegung gab es im Jahr 1988 noch eine absurde Episode, denn „auf dem Papier“ konnte Air Atlantis einen Rekordgewinn vermelden. Allerdings wurde dieser durch eine Kapitalerhöhung in der Höhe von rund 1,7 Millionen Euro regelrecht kaschiert. Die Privatisierung von 25 Prozent der Anteile war demnach nicht von langer Dauer. Und da spielte dann Tap Air Portugal wieder eine Rolle, denn diese verhinderte, dass Air Atlantis aufgrund mittlerweile gelockerter Bestimmungen auf die Linie gehen konnte.

Letzter Flug am 30. April 1993, EuGH-Urteil erst im Jahr 2015

Letztlich wurde am 19. Feber 1993 entschieden, dass Tap und Air Atlantis zusammengelegt werden. Es kam zu einem Betriebsübergang, jedoch wurden sämtliche Beschäftigten der Charterfluggesellschaft gekündigt. Es begann ein Rechtsstreit zwischen den Arbeitnehmern und Tap Air Portugal, der erst im Jahr 2015 durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs endgültig entschieden wurde. Stolze 22 Jahre nach der Auflösung der ehemaligen Airline gab es dann für alle Beteiligten Rechtssicherheit.

Während Tap Air Portugal die Auffassung vertrat, dass Air Atlantis geschlossen und aufgelöst wurde, aber sich deren ehemalige Mitarbeiter neu um Jobs bei Tap bewerben konnten, sahen es sowohl das Höchstgericht Portugals als auch der EuGH gänzlich anders. Es wurde geurteilt, dass es zu einem Betriebsübergang gekommen ist und es keinerlei Rechtsgrundlage für die kollektive Kündigung sämtlicher Air-Atlantis-Mitarbeiter gegeben hat. Bei der Entscheidung hat auch der Umstand, dass Tap im Zuge der Fusion, die man selbst als Auflösung bezeichnet, bestehende Charterverträge von Air Atlantis übernommen hat und zumindest punktuell auch Flugzeuge „verschoben“ wurden. Der letzte Flug von Air Atlantis wurde übrigens am 30. April 1993 als AIA 363 zwischen Amsterdam und Faro durchgeführt. Danach endete die kurzlebige Geschichte der Tap-Chartertochter – zumindest als Airline, denn vor Gericht ging es noch 22 Jahre lang weiter. Immerhin: Für den 97 Mitarbeitern, die den langen Rechtskampf durchgehalten haben, sprach der EuGH rechtskräftig üppige Entschädigungen zu.

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Amely Mizzi ist Executive Assistant bei Aviation Direct Malta in San Pawl il-Baħar. Zuvor war sie im Bereich Aircraft and Vessel Financing bei einem Bankkonzern tätig. Sie gilt als sprachliches Talent und spricht sieben Sprachen fließend. Ihre Freizeit verbringt sie am liebsten in Österreich auf der Schipiste und im Sommer an Mittelmeerstränden quasi vor der Haustür auf Gozo.
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