Austrian Airlines: Das Phänomen der “Zwischenlagerung” von Passagieren

Airbus A320 (Foto: Jan Gruber).
Airbus A320 (Foto: Jan Gruber).

Austrian Airlines: Das Phänomen der “Zwischenlagerung” von Passagieren

Airbus A320 (Foto: Jan Gruber).
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Gerade Vielflieger dürfte dieses Phänomen nur zu gut bekannt sein: Das Bodenpersonal ruft zum „Einsteigen“ auf, die Bordkarten werden gescannt und schon geht es nach ein paar Schritten oder einer kurzen Busfahrt zum Sitzplatz im Flugzeug. Zumindest theoretisch, denn in der Praxis heißt es oftmals: „Bitte warten“ und zwar in Stiegenhäusern, Gangways, Vorfeldbussen oder eigens dafür geschaffenen, zumeist kargen Räumen. Und das mitunter ganz schön lange.

Billigfluggesellschaften wie Ryanair haben sich schon vor vielen Jahren das „Zwischenlagern“ von Passagieren eingefallen. Mit dem vermeintlichen „Boarding“ wird schon lange bevor das Flugzeug überhaupt zum Einsteigen bereit ist begonnen. Die Fluggäste müssen dann in Gangways, Stiegenhäusern, Vorfeldbussen und/oder „Warteräumen“ ausharren bis irgendjemand grünes Licht dafür gibt, dass es weitergeht.

Für viele Reisende ist diese „Zwischenlagerung“ durchaus unangenehm, denn häufig sind die „Lagerorte“ im Sommer nicht klimatisiert und im Winter nicht geheizt. Manche Ground-Handling-Anbieter lassen schon länger die Motoren ihrer Vorfeldbusse nicht mehr laufen. Offiziell als „Klimaschutzgründen“, inoffiziell, weil es Diesel und damit Geld spart. Bei Elektrofahrzeugen, mit denen sich der eine oder andere Airport rühmt, wären die Batterien beim Dauerbetrieb der Klimaanlagen wesentlich schneller leer und der Ladevorgang nimmt viel Zeit in Anspruch. Gerade zu Stoßzeiten ist das ärgerlich, denn mitunter fehlt dann genau dieser eine Bus, der gerade benötigt wird.

In einschlägigen Internetforen würden „Kampfposter“, die meinen sich stets gegen Lowcost-Carrier positionieren zu müssen, möglicherweise schreiben, dass man ja selbst schuld ist, hätte man eine andere Airline gebucht, zum Beispiel Austrian Airlines, dann wäre einem das nicht passiert. Dort würde es eine solche „Zwischenlagerung“ nicht geben.

Das Gegenteil ist der Fall, denn auch Austrian Airlines hat sich schon vor einiger Zeit die Praxis der Billigflieger abgeschaut. Sei es für Gepäckstücke, Wunschsitzplätze, Snacks/Getränke extra zur Kasse zu bitten oder aber auch „Zwischenlagerung“ von Passagieren. Mitunter beginnt man mit dem „Boarding“ auch zu einem Zeitpunkt, zu dem noch nicht einmal die Crew anwesend ist und so kann es auch dazu kommen, dass selbst ein Flughafenmitarbeiter, der einen Rollstuhlfahrer begleitet, verwundert vor einem schlummernden Flugzeug mit verschlossener Tür steht. Nach und nach füllt sich dahinter die Gangway mit Passagieren, aber schön der Reihe nach: Erst Hon-Circle-Member und Business-Class-Passagiere sowie Reisende mit anderen hohen Status-Karten und dem Aufdruck „Pre“ auf der Bordkarte. Anschließend sind die Fluggäste schön nach ihren Boardinggruppen „im Stau“ in der Fluggastbrücke oder im Stiegenhaus und warten. Mitunter auch länger.

Während bei Lowcostern für das „Extraservice“, dass man möglichst lange in Gangways, Stiegenhäusern und Vorfeldbussen warten muss, vergleichsweise wenig „aufbezahlt“ werden muss, trifft es bei Austrian Airlines ausgerechnet treue Vielflieger mit hohen Statuskarten sowie gut zahlende Business-Class-Passagiere. Dass das angebotene Produkt in der Economy-Class, abgesehen von einem kostenlosen Becher Wasser, den man auf Nachfrage auch bei einigen Lowcostern umsonst bekommen kann, unterscheidet es sich ohnehin kaum von Billigfliegern, denn auch die AUA hat in der A320-Flotte einen durchaus engen Sitzabstand.

In der Werbung ist natürlich alles anders, denn da gibt man sich als Super-Premium und man soll sich wohlfühlen. Die Frage ist nur: Wie können längere Wartezeiten bei Hitze bzw. Kälte in Gangways, Stiegenhäusern und Co mit diesen selbstgeschürten Erwartungen in Einklang gebracht werden, wenn man sich eben der gleichen „Einsteigepraxis“ wie Billigflieger, die das Management wiederholt in Medienmitteilungen regelrecht „verteufelt“, bedient?

Zu der gesamten Thematik gab eine Sprecherin von Austrian Airlines das nachstehend zitierte Statement ab: „Die Boarding-Prozesse spielen eine entscheidende Rolle für einen reibungslosen Ablauf am Flughafen Wien. Um die Effizienz zu steigern und die Wartezeiten für Passagiere zu minimieren, arbeitet Austrian Airlines in Wien standardmäßig mit einem automatischen Boardingbeginn. Beim Pier Boarding können Wartezeiten für unsere Fluggäste nur im Rahmen eines sogenannten Quick-Turnarounds auftreten, damit ein pünktlicher Abflug gewährleistet werden kann. Beim Busboarding kann es ebenfalls zu Wartezeiten kommen, die oft von der Ankunft des Busses oder der Koordination zwischen dem Abfahrt des ersten und dem Eintreffen des zweiten Busses abhängen. Es wurde auch das Thema des “Zwischenlagerns” angesprochen. Hierbei möchten wir betonen, dass diese Praxis nicht der Standardprozess ist, sondern ausschließlich bei Quick Turnarounds angewendet wird, bei denen das Flugzeug nach der Landung schnell wieder abflugbereit gemacht werden muss“.

Anzumerken ist, dass Austrian Airlines das „Zwischenlagern“ von Flug OS201 (Wien-Frankfurt) vom 5. September 2023 als Beispiel genannt wurde. Das „Boarding“ starte zu einem Zeitpunkt, zu dem die Crew nicht anwesend war. Voraus ging ein PRM-Betreuer der Vias mit einer Rollstuhlfahrerin. Es wurde nicht abgewartet bis der Flughafenmitarbeiter wieder zurück ist, sondern unmittelbar danach mit dem „Pre-Boarding“ und anschließend dem regulären Boarding begonnen. So kam es, dass sich in der Gangway ein Stau bildete, denn erst etwa 15 Minuten später kam überhaupt die Besatzung zum Flugzeug und begann mit den Vorbereitungen für den Flug. Für alle hieß es weiter warten, denn erst nach weiteren 15 Minuten ging es dann wirklich los. Somit waren die Passagiere, allen voran die mobilitätseinschränkte Dame, Hon-Circle-Member und Business-Class-Reisende, für etwa eine halbe Stunde „zwischengelagert“.

Ruft man sich die Stellungnahme von Austrian Airlines in Erinnerung, dass diese Praxis nur bei „Quick-Turnarounds“ vorkommen soll, passt daran nicht, dass das Flugzeug, die OE-LBN, seit etwa 20 Uhr 30 des Vortages am Gate geparkt stand. Von „Quick“ kann also definitiv keine Rede sein. Auch ist es fraglich warum die Besatzung erst unmittelbar vor der Block-Time überhaupt erst mal beim A320 aufkreuzt.

Von „Einzelfällen“ kann definitiv nicht die Rede sein, denn bereits seit mehreren Jahren kommt die Praxis des „Zwischenlagerns“ bei vielen Austrian-Airlines-Flügen vor. Besonders auffällig ist, dass diese in der Vergangenheit beim Einsatz des Maschinentyps de Havilland Dash 8-400 besonders häufig aufgetreten ist. Momentan heißt es beim Busboarding immer im Stiegenhaus zu warten bis überhaupt ein Vorfeldbus vorgefahren ist und mitunter dann nochmals direkt vor dem Flugzeug. Auch wenn die Maschine an der Gangway andockt, kann „Zwischenlagerung“ nach dem Vorbild von Billigfliegern vorkommen, wenn auch nicht gerne darüber gesprochen wird.

3 Comments

  • Maxmobil , 11. September 2023 @ 19:53

    Wenn das tatsächlich so passiert ist es mitnichten ein Standardverfahren sondern liegt an mangelnder Kommunikation zwischen Ramp Agent (der das automatische Boarding unterbrechen würde) und Crew, die aus operationellen Gründen noch nicht an Bord ist bzw. sollte in diesem Fall der Ramp Agent von sich aus logisch denken. Der Crew quasi zu unterstellen, sie kämen aus Jux zu spät zum Flugzeug ist sinnbefreit-die Crew ist es, die sich danach bemühen muss die Verspätung auszubaden.

  • Ulf Sandberg , 12. September 2023 @ 07:40

    Und was ist mit Sicherheit? Wenn es zum beispiel brennt, und 180 Personen stehen eng zusasammengedrück in ein Stiegenhaus vor ein geschlossenen Tür…

  • Andreas Poltin , 13. September 2023 @ 00:35

    In Singapore haben sie das gut geloest. Nach dem scannen der Bordkarte und Kontrolle der Dokumente kommt man in einen Warteraum mit Sitzplaetzen. Die Tuer zum Jetway geht erst auf wenn das Flugzeug zum Einsteigen bereit ist.

    Auf meinem letzten Flug von VIE nach ZRH (10. August 2023) waren es 10 Minuten im Jetway bevor mit dem Einsteigen begonnen wurde.

    Hier auf den Philippinen hat Cebu Pacific mit ihren A320 eine Turnaround Zeit von nur 20 Minuten. Der Bus mit den neuen Passagieren wartet schon, wenn die Passagiere noch aussteigen. Dann vergehen nicht einmal 5 Minuten und es wird mit dem Einsteigen begonnen.

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  • Maxmobil , 11. September 2023 @ 19:53

    Wenn das tatsächlich so passiert ist es mitnichten ein Standardverfahren sondern liegt an mangelnder Kommunikation zwischen Ramp Agent (der das automatische Boarding unterbrechen würde) und Crew, die aus operationellen Gründen noch nicht an Bord ist bzw. sollte in diesem Fall der Ramp Agent von sich aus logisch denken. Der Crew quasi zu unterstellen, sie kämen aus Jux zu spät zum Flugzeug ist sinnbefreit-die Crew ist es, die sich danach bemühen muss die Verspätung auszubaden.

  • Ulf Sandberg , 12. September 2023 @ 07:40

    Und was ist mit Sicherheit? Wenn es zum beispiel brennt, und 180 Personen stehen eng zusasammengedrück in ein Stiegenhaus vor ein geschlossenen Tür…

  • Andreas Poltin , 13. September 2023 @ 00:35

    In Singapore haben sie das gut geloest. Nach dem scannen der Bordkarte und Kontrolle der Dokumente kommt man in einen Warteraum mit Sitzplaetzen. Die Tuer zum Jetway geht erst auf wenn das Flugzeug zum Einsteigen bereit ist.

    Auf meinem letzten Flug von VIE nach ZRH (10. August 2023) waren es 10 Minuten im Jetway bevor mit dem Einsteigen begonnen wurde.

    Hier auf den Philippinen hat Cebu Pacific mit ihren A320 eine Turnaround Zeit von nur 20 Minuten. Der Bus mit den neuen Passagieren wartet schon, wenn die Passagiere noch aussteigen. Dann vergehen nicht einmal 5 Minuten und es wird mit dem Einsteigen begonnen.

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