Airbus A321neo (Foto: Steffen Lorenz).
Redakteur
Letztes Update
Give a coffee
Informationen sollten frei für alle sein, doch guter Journalismus kostet viel Geld.
Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie Aviation.Direct freiwillig auf eine Tasse Kaffee einladen.
Damit unterstützen Sie die journalistische Arbeit unseres unabhängigen Fachportals für Luftfahrt, Reisen und Touristik mit Schwerpunkt D-A-CH-Region und zwar freiwillig ohne Paywall-Zwang.
Wenn Ihnen der Artikel nicht gefallen hat, so freuen wir uns auf Ihre konstruktive Kritik und/oder Ihre Hinweise wahlweise direkt an den Redakteur oder an das Team unter unter diesem Link oder alternativ über die Kommentare.
Ihr
Aviation.Direct-Team

„Der Hunger treibt‘s rein…“: Im Wizz Air UK Airbus321neo von Gran Canaria nach London-Luton

Werbung
Print Friendly, PDF & Email

“…und ihr Café con Leche. Macht dann alles zusammen 8,80 Euro bitte.“

Es ist am späten Samstagnachmittag als mir der Kellner den bestellten Kaffee samt der Rechnung bringt. Ein weiterer milder, sommerlicher Tag am Strand von Maspalomas, auf der drittengrößten Kanareninsel Gran Canaria neigt sich dem Ende.

Seitdem ich keine beruflich bedingten Nachtflüge nach Deutschland über den Nordatlantik mehr in meinem Dienstplan stehen habe, trinke ich nach 17 Uhr eher selten noch Kaffee. Heute ist das allerdings anders. Für den Abend steht zu ungewohnt später und schon ehr nächtlicher Stunde mein Rückflug in die Metropolregion London an.

Drei Flüge am Samstagnachmittag in den Großraum London wurden mir dabei in der Vorabplanung angezeigt. easyJet nach London-Luton, Jet2 nach London-Stansted und Wizz Air UK ebenfalls mit Zielairport Luton. Da ich Jet2 bereits in der Vergangenheit geflogen war und EasyJet sowieso hin und wieder meine Flugplanung kreuzt, fand ich die Variante mit der britischen Tochter der rasant wachsenden Wizz Air Gruppe mit Abstand am interessantesten.

Mit über 40 Basen in 21 europäischen und nahöstlichen Ländern, 1140 Strecken sowie derzeit rund 150 Airbus-Flugzeugen der Muster A320ceo, 320neo, 321ceo sowie 321neo gehört Wizz Air dabei zu den in den vergangenen Jahren am stärksten wachsenden Airlines im europäischen Luftraum. Das hauptsächliche Geschäftsmodell als Low-Cost-Carrier in Osteuropa ging gänzlich auf, Wizz Air steuert dabei nicht selten Ziele an, wo ich selbst erst nach dem 3-Letter Code suchen muss.

Doch neben dem wachsenden VFR-Verkehr und einer Vielzahl an Basen in Osteuropa, versucht Wizz Air auch aggressiv in anderen Märkten zu wachsen, teils mit gemischtem Erfolg. So wurde die Station in Dortmund bereits nach kurzer Zeit wieder geschlossen und auch der Ausflug nach Norwegen sollte von kurzer Natur bleiben. Kurz vor der Corona-Pandemie feierte sich Wizz Air provokativ sogar als größte Airline am Flughafen London-Luton, dem Hauptquartier des Rivalen EasyJet. Eine Ankündigung welche durch die Menge an stationierten 321neo, sowie der daraus resultierend angebotenen Anzahl an Sitzen, auch rein rechnerisch völlig korrekt war. Zahlreiche britische Medien machten sich allerdings in ihrer Berichterstattung regelrecht darüber lustig, dass eine Airline deren Ziele zu 1/3 völlig unbekannt und kaum auszusprechen wären, sich als größte Airline in „LTN“ bezeichnete. Nun nachdem einige Zeit auf dem britischen Markt verstrichen ist, war es dann also an der Zeit der Airline mit dem Code „W9“ einmal etwas näher auf den Zahn zu fühlen.

Der Tarif

Wizz Air bietet generell drei verschiedene Tarife an. Im „Basic“ Tarif ist dabei lediglich ein kleiner Rucksack im Flugpreis inkludiert. Der Wizz Air „Go“ Tarif beinhaltet zusätzlich einen Rollkoffer als Handgepäck sowie bereits eine kostenfreie Standard-Sitzplatzauswahl. Wizz Air „Plus&Flex“ der teuerste Tarif im Sortiment enthält neben einem Aufgabegepäck von 32 Kilo(!), ebenfalls ein zweites größeres Handgepäck sowie die kostenfreie Sitzplatzbuchung aller im Flieger verfügbarer Sitze.

Wer lediglich den billigsten Wizz Air „Basic“ Tarif bucht, sollte allerdings auch wirklich nur mit dem nötigsten die Reise antreten. Bei der Testbuchung zeigte sich, dass bei einer kurzfristigen Inanspruchnahme von Aufgabegepäck saftige Preise (bereits Online) fällig geworden wären: 10 Kilo = 45€, 20 Kilo = 81€ und für 32 Kilo wären 89€ fällig geworden, wobei der Preis am Flughafen natürlich spontan noch teurer gewesen wäre.

Allein durch eine solche zusätzliche und nachträgliche Buchung von 20 Kilo Gepäck, wäre der Gesamtpreis bereits höher ausgefallen, als wenn ich direkt bei der Buchung den teuersten Tarif „Plus&Flex“ gewählt hätte.

Ich entschied mich auf dem Testflug allerdings knapp 8 Wochen vor Abflug für den Basic Tarif zum Preis von 14,99€, dazu für die Sitzplatzreservierung auf 1A für 12€, macht All In – 26,99€. Für den 4 Stunden früher abhebenden EasyJet Flug wollten diese 8 Wochen vor Abflug bereits rund 120€.

Das Flugzeug

Zum Einsatz kam an diesem Abend zu meiner Freude der noch neue A321neo „G-WUKN“ MSN 10333, welcher erst im März 2021 an die britische Tochter Wizz Air UK werksneu ausgeliefert wurde. Das Flugzeug welches in einer klassischen Low Cost, All-Economy-Bestuhlung Platz für 239 Fluggäste bietet, erreichte den Flughafen der Kanareninsel pünktlich.

Der Sitz/das Entertainment

Die Sitze im A321neo der Wizz Air kommen allesamt in einem hellblauen Lederbezug mit pinken Ziernähten daher. Erstaunlicherweise war der Sitz selbst nach über 3 Stunden Flugzeit noch ganz ok zum Sitzen. In weiser Voraussicht buche ich in der Regel bei allen Flügen über 2,5 Stunden Flugzeit einen XL-Sitz mit mehr Beinfreiheit, so auch auf diesem, wo ich mich für einen Sitz in der ersten Reihe entschied, genauso wie eine Mitreisende in Reihe 1DEF.

Als ich nach einem Toilettengang im hinteren Bereich der Kabine in einer der zahlreichen leeren Sitzreihen kurzzeitig Platz nahm, war dies – wie zu erwarten war – beengt, was bei 239 Sitzen allerdings auch wirklich wenig überraschend ist. Ansonsten verfügt der Sitz weder über Features, noch bietet Wizz Air jegliche Form von Wifi oder Entertainment an, Vorbereitung ist hier alles.

Das Catering an Bord

Wizz Air setzt in Folge mangelnder Digitalisierung auf ein gedrucktes Magazin, eine Mischung aus Inflight-Magazin und Bordverkaufsbroschüre. Im sogenannten „You+“ Café und Boutique Bereich gibt es eine Auswahl an Sandwiches und ein paar Instant Suppen, warme Speisen werden ansonsten nicht angeboten.

Die Auswahl an alkoholfreien Getränken startet ab 2,50€ für Wasser an Bord, der reguläre Kaffee wird ab 3€ angeboten, die Kooperation mit „Starbucks“ startet für einen weiteren Euro mehr, ab 4€. Daneben werden auch alkoholische Getränke und einige wenige Snacks zum Kauf angeboten, alles in allem eine überschaubare Auswahl auf 7 Seiten, während der Bordverkauf mit 15 Seiten einherkommt.

Da ich bereits im ersten Drittel des Fluges mit einem Mitreisenden in der Reihe 2 ins Gespräch kam, bekam ich sowohl seine Essensbestellung als auch sein Fazit mit. Das bestellte Brötchen, welches er mir ebenfalls als Kostprobe anbot, war schon grenzwertig trocken und alles andere als ansprechend, er kürzte es treffend und zusammenfassend ab „oh Mann, der Hunger treibt‘s rein“. Ein Glück, dass ich vor dem Flug im Hotel noch eine Kleinigkeit zu mir genommen hatte.

Das Fazit

Wizz Air hat mit der Positionierung der Marke außerhalb von CEE (Central Eastern Europe) ganz offensichtlich weiterhin erhebliche Schwierigkeiten. Dabei zeigt sich immer öfter, dass Wizz, mit der eigenen Aussage ein „Ultra-Low-Cost-Carrier – ULCC“ zu sein, nahezu ausschließlich als eine Art schnellerer Fernbus – nur eben mit Flügeln wahrgenommen wird.

So waren in den vergangenen Monaten sowohl die Eröffneten Stationen in Dortmund oder Doncaster, welche mit einer Vielzahl an Zielen in Griechenland, Spanien oder Italien einherkamen nicht unmittelbar von Erfolg gekrönt.

Das Experiment Norwegen, samt norwegischer Inlandsflüge hatte sich rasant nach nur wenigen Monaten ebenso erledigt und auch die Tochter Wizz Air Abu Dhabi fliegt teilweise immernoch mit für Wizz Air ungewöhnlichen niedrigen Loads durch die Gegend.

So zeigte sich auch dem Testflug, dass Wizz Air UK ganz offensichtlich von den britischen Gästen immernoch nicht als vollwertige Alternative zu klassischen Urlaubszielen angesehen wird. So bestätigte die Purserette auf dem Flug auf Nachfrage exakt diese These als sie verlauten ließ, dass auf den Flügen von LTN in Richtung Osteuropa die Maschinen in der Regel voll seien, auf den Flügen nach Spanien oder Griechenland oftmals „nicht so viele Gäste“ gebucht sind. Mit gerade einmal 96 von 239 möglichen Paxen an Bord meines Fluges, lässt sich dies problemlos bestätigen. Erstaunlich insbesondere auch deshalb, da lediglich 4 Stunden vor meinem Wizz Air UK Flug, ein A320neo der Konkurrenz von easyJet abhob, welcher bereits Tage zuvor ausgebucht war.

Insgesamt bleibt zu sagen, dass der Flug für den bezahlten Preis von rund 27 Euro absolut in Ordnung war. Das was ich gebucht habe, wurde 1:1 geboten und eingehalten. Drumherum war dieser Flug aus der Gänze betrachtet allerdings schwach. So habe ich selten einen dermaßen dreckigen Flieger von innen gesehen.

Safety Card und verschmutzter Teppichboden (Foto: Steffen Lorenz).

So waren vor allem der Teppich aber auch teilweise Sitze und Armlehnen in einem Flugzeug welches gerade einmal knapp ein Jahr jung, nicht alt, ist in einem erschreckenden Zustand. Auch wirkte die etwas ältere, britische Crew von Anfang an sehr genervt, lustlos und abwesend. Ein wenig verwunderlich, wenn man die eigentlich entspannte Zeit am Abend und die niedrige Auslastung auf beiden Flügen (der Hinflug hatte 118 Gäste an Bord) betrachtet.

Zumindest wurde das Licht recht zügig nach dem ersten Service gedämmt und auf jegliche Form von Ansagen am späten Abend weitestgehend verzichtet und auch die Landung in Luton erfolgte nach rund 3 Stunden 45 in der Luft überpünktlich.

Für mich bleibt Wizz Air dabei auch in der Zukunft, eben jener bessere „Fernbus“, eine Airline (Gruppe), welche ich samt der Töchter lediglich dann nutze, wenn es an guten Alternativen mangelt oder mein Reiseziel keine andere Anreise zulässt. Dabei wäre Wizz Air gut beraten, das Geschäftsmodell in Osteuropa zunächst weiter zu festigen, bevor man sich auf weitere waghalsige Projekte stürzt. Aber auch im Bereich F&B wäre eine frischere, nachhaltigere Alternative in einigen Bereichen absolut wünschenswert. Aktuell gilt, wie es der Mitreisende in der Sitzreihe hinter mir leider äußert treffend beschrieb „der Hunger treibt‘s rein“.

Werbung

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Werbung