Fernbusreisen erfreuen sich in Europa immer größerer Beliebtheit, da sie eine kostengünstige und umweltfreundliche Möglichkeit bieten, weite Strecken zurückzulegen. Doch was passiert, wenn Ihre Fernbusreise nicht wie geplant verläuft? In der Europäischen Union (EU) gibt es gesetzliche Grundlagen und Fahrgastrechte, die Passagieren Schutz und Entschädigung bieten, wenn Dinge schiefgehen. Dieser Artikel wird die wichtigsten Aspekte der Fahrgastrechte bei Fernbusreisen erläutern.
Zunächst ist zu beachten, dass die Fahrgastrechte aufgrund der EU-Verordnung nur dann vollständig anwendbar sind, wenn die Entfernung zwischen Start- und Zielort mindestens 250 Kilometer beträgt. Weiters spielt bei Betreuungsleistungen auch eine Rolle, dass die fahrplanmäßige Fahrzeit mindestens drei Stunden betragen muss. Im Gegensatz zur Luftfahrt ist bei Verspätungen nicht der Ankunfts-, sondern der Abfahrtszeitpunkt relevant.
Gesetzliche Grundlagen in der Europäischen Union
Die Fahrgastrechte bei Fernbusreisen in der EU sind durch die Verordnung (EG) Nr. 181/2011 geregelt. Diese Verordnung legt die Rechte der Passagiere in Bezug auf die Beförderung im Linienverkehr fest und gilt für alle Busunternehmen, die innerhalb der EU operieren. Die wichtigsten Punkte dieser Verordnung sind:
- Information und Unterstützung: Passagiere haben das Recht auf klare Informationen über ihre Reise, einschließlich Abfahrtszeiten und -orte. Bei Verspätungen oder Annullierungen muss das Busunternehmen Unterstützung in Form von Mahlzeiten, Unterkunft oder alternativen Beförderungsmöglichkeiten anbieten.
- Entschädigung bei Verspätung oder Annullierung: Passagiere haben Anspruch auf Entschädigung bei Verspätungen von mehr als 120 Minuten oder bei Annullierungen. Die Höhe der Entschädigung variiert je nach Entfernung und Dauer der Verspätung.
- Haftung bei Unfällen: Im Falle eines Unfalls sind die Busunternehmen verpflichtet, Schadenersatz zu leisten.
Wichtig zu beachten ist, dass die Fahrgastrechte nur auf Fahrten innerhalb der Europäischen Union sowie grenzüberschreitend in die Schweiz gelten. Hat man eine Fernbusfahrt – zum Beispiel – von München nach Podgorica gebucht, so ist die EU-Verordnung nicht anwendbar, da solche Verkehre explizit ausgenommen ist. Es gibt aber eine Ausnahme: Handelt es sich um eine Umsteigeverbindung, dann unterliegt zumindest der „Zubringer, sofern es ein Intra-EU-Verkehr ist, den Fahrgastrechten gemäß EU-Verordnung. Fährt man zum Beispiel von Österreich nach Griechenland und durchfährt dabei Nicht-EU-Staaten, so führt dies nicht zum Verlust von Ansprüchen.
Ebenso relevant: Es muss sich um einen konzessionierten Linienverkehr handeln. Das bedeutet konkret, dass es ein öffentlich zugänglicher Verkehr ist, der nach fixem Fahrplan verkehrt und jeder buchen kann. Einfacher ausgedrückt: Eine Regiojet-Busfahrt von Wien nach Prag oder eine Flixbus-Reise von Berlin nach Stuttgart unterliegt der Verordnung, jedoch der Ausflug mit dem Fußballverein im Charterbus oder aber der Bade-Pauschalurlaub in Rimini mit dem Reisebus eben nicht.
Zusätzlich ist zu beachten, dass die Fahrgastrechte bei Fernbusreisen erst ab einer Entfernung von 250 Kilometern greifen. Dies ist in Deutschland von besonderer Bedeutung, denn Fernbuslinien können in der Bundesrepublik ab einer Mindestentfernung von 50 Kilometern eingerichtet werden. Auf so kurzen Strecken sind die Fahrgastrechte gemäß EU-Verordnung nicht anwendbar, da dies auf EU-Ebene als Nahverkehr betrachtet wird. Es macht aber keinen Unterschied, ob es sich um eine Fernbusfahrt im Inland oder international handelt. Maßgeblich ist lediglich, dass der Abfahrts- und Zielort innerhalb der Europäischen Union liegen. Auch das bloße Durchfahren von Nicht-EU-Staaten führt nicht zum Verlust etwaiger Ansprüche.
Ansprüche der Passagiere und Durchsetzung
Bei den Fahrgastrechten für Fernbusreisende besteht ein eklatanter Unterschied zur Luftfahrt. Während es in der Fliegerei bei Verspätungen auf den tatsächlichen Ankunftszeitpunkt ankommt, ist bei Busfahrten die tatsächliche Abfahrtszeit relevant. Dies hat auch etwas damit zu tun, dass Verspätungen, die während der Fahrt zum Beispiel wegen Stau und/oder Grenz- und/oder Verkehrskontrollen entstehen, nicht entschädigungspflichtig sind.
Zu beachten ist, dass die EU-Verordnung nur vollständig anwendbar ist, wenn die Entfernung zwischen den beiden Punkten mindestens 250 Kilometer beträgt. Darunter greifen andere Regelungen. Auch müssen Fahrgäste beachten, dass einige Entschädigungen bzw. Verpflichtungen der Busunternehmer nur dann zum Tragen kommen, wenn die geplante Fahrzeit mindestens drei Stunden beträgt.
Ab einer Abfahrtverspätung von mindestens 90 Minuten muss das Busunternehmen kostenfreie Getränke und Snacks zur Verfügung stellen. Falls nötig muss auch die Unterbringung in einem Hotel organisiert und übernommen werden. Dies ist gedeckelt mit maximal zwei Übernachtungen, die maximal 80 Euro pro Person und Nacht kosten dürfen. Achtung: Wurde der Ausfall oder die Verspätung aufgrund höherer Gewalt wie Naturkatastrophen oder Schlechtwetter (z.B. starker Schneefall) verursacht, dann entfällt der Anspruch.
In der Praxis gestaltet sich der Anspruch die Zurverfügungstellung von Snacks und Getränken oftmals nicht durchsetzbar, denn an den meisten Haltestellen gibt es kein Personal. Nicht selten bestehen diese lediglich aus einem Haltestellenlöffel und einem Fahrplanaushang. Passagiere fallen dann aber nicht um ihren Anspruch um, sondern müssen in Vorleistung gehen und die Kassabons anschließend bei der Busfirma einreichen. Achtung Falle: Auf keinen Fall alkoholische Getränke einreichen, denn diese dürfen nicht ersetzt werden. Gegen Mineralwasser oder Cola und ein belegtes Brötchen spricht aber nichts.
Ab einer Abfahrtsverspätung von mindestens 120 Minuten oder aber wenn die Fahrt komplett gestrichen wird, haben Passagiere das Recht auf eine Ersatzbeförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt. Alternativ kann man den bezahlten Ticketpreis komplett zurückverlangen. Zu beachten ist auch, dass die Regeln bezüglich der 250 Kilometer bzw. Planmäßige Fahrzeit von mindestens drei Stunden relevant sind. Zusätzlich haben Reisende den Anspruch auf maximal zwei Hotelübernachtungen, die maximal 80 Euro pro Nacht kosten dürfen. Snacks und Getränke müssen ebenfalls gewährt werden.
Wichtig: Die EU-Verordnung sieht vor, dass die Busfirmen die Reisenden explizit über ihre Fahrgastrechte informieren müssen. Es ist nicht ausreichend diese bei der Buchung im „Kleingedruckten“ zu erwähnen oder irgendwo auf der Homepage zu verstecken. Vielmehr müssen die Unternehmen gerade bei Verspätungen und/oder Ausfällen explizit ihre Passagiere informieren. Dies kann per E-Mail, SMS oder das Verteilen von Flyern erfolgen. Auch mündliche Informationen durch den Busfahrer oder Personal an Busbahnhöfen sind zulässig, sofern diese deutlich wahrnehmbar erfolgen. Kommt das Busunternehmen dieser Pflicht nicht nach, so haben Reisende zusätzlich den Anspruch auf Erstattung von 50 Prozent des bezahlten Ticketpreises.
Geltendmachung der Fahrgastrechte und Tipps
Um Fahrgastrechte geltend zu machen, ist es entscheidend, die Situation zu verstehen und richtig zu handeln. Passagiere sollten die folgenden Schritte beachten:
- Dokumentieren Sie alles: Behalten Sie Ihre Fahrkarten, Belege und alle relevanten Informationen zur Reise, insbesondere im Falle von Verspätungen oder Annullierungen.
- Informieren Sie das Busunternehmen: Melden Sie sich beim Busunternehmen und informieren Sie es über Ihre Situation. Fordern Sie die notwendige Unterstützung und ggf. Entschädigung.
- Beantragen Sie Entschädigung: Wenn Sie aufgrund von Verspätungen oder Annullierungen eine Entschädigung in Anspruch nehmen möchten, reichen Sie Ihren Antrag beim Busunternehmen ein. Die Entschädigung hängt von der Entfernung Ihrer Reise ab und davon, wie lange die Verspätung war.
- Abfahrt oder Ankunft: Im Gegensatz zur Luftfahrt ist bei Verspätungen bei Fernbusreisen der tatsächliche Abfahrtszeitpunkt relevant.
- Anschlussbus verpasst: Das Busunternehmen haftet nur dann, wenn es sich um ein durchgängiges Ticket, das einen Umstieg vorsieht, handelt. Kauft man zwei getrennte Tickets, so schaut man im Verspätungsfall durch die Röhre. Bei verpassten Anschlüssen gelten die Ansprüche analog zu Ausfällen.
- Termin verpasst: Dafür haftet das Busunternehmen nicht. Alles, das nicht über die Fernbusfirma gebucht wurde, muss nicht entschädigt werden.
- Ersatzbeförderung: Bedeutet, dass man auf einen anderen Bus oder einen Zug umgebucht werden muss. Sofern sich niemand darum kümmert, kann man die Mehrkosten einfordern. Achtung: Den ursprünglich bezahlten Fahrscheinpreis für die ausgefallene bzw verspätete Fahrt bekommt man aber nicht zurück. Lediglich die Auslage für die Ersatzfahrt. Eine Taxifahrt zum Zielort ist keine Beförderung unter vergleichbaren Bedingungen.
- Abbruch der Fahrt wegen Panne oder Unfall: Man hat dann Anspruch auf eine kostenfreie Rückbeförderung zum Ausgangsort. Alternativ hat man Anspruch auf eine Ersatzbeförderung (Weiterreise) zum Zielort. Achtung: Der Busunternehmer muss dann nur ab dem Punkt, an dem seine Fahrt abgebrochen wurde, bezahlen.
Umstände, unter denen das Busunternehmen nicht entschädigungspflichtig ist:
Es gibt bestimmte Umstände, unter denen Busunternehmen von ihrer Entschädigungspflicht befreit werden können. Dazu gehören außergewöhnliche Umstände wie Naturkatastrophen, Streiks und Sicherheitsrisiken. Ebenso schaut man bei Stau auf der Stecke durch die Finger. In solchen Fällen sind die Unternehmen nicht verpflichtet, Entschädigungen zu zahlen.
Wenig bekannt über jährliche Kosten für Busfirmen
Es gibt keine aktuellen Gesamtstatistiken darüber, wie viele Fahrgäste in einem bestimmten Jahr Entschädigungen erhalten haben und welche Gesamtsumme ausgezahlt wurde. Diese Informationen können je nach Land und Busunternehmen variieren. Allerdings haben Passagiere das Recht, Entschädigungen zu erhalten, wenn ihre Fahrgastrechte verletzt werden.
Ähnlich wie in der Luftfahrt handelt es sich um eine Holschuld der Passagiere. Das bedeutet konkret, dass die Unternehmer nicht von sich aus Entschädigungen anbieten müssen, sondern die Fahrgäste diese aktiv einfordern, also beantragen müssen. Sonderlich einfach machen es viele Anbieter nicht. Zwar verweist man irgendwo im „Kleingedruckten“ auf die Fahrgastrechte, jedoch bieten die meisten Fernbusfirmen keine vorgefertigten Online-Formulare an.
Kostenfreie Beratungsstellen in der D-A-CH-Region
Bemerkenswert ist auch, dass sich im Gegensatz zur Luftfahrt noch keine Inkassoindustrie entwickelt hat, die sich auf das Eintreiben von Entschädigungsansprüchen gegen Provision spezialisiert hat. Möglicherweise liegt das auch daran, dass es schon allein aufgrund niedrigerer Ticketpreise und einer generell gesetzlich anders geregelten Entschädigungspraxis um wesentlich niedrigere Summen geht.
Bei Problemen mit Busunternehmen können sich Fahrgäste in Österreich an die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte wenden. In Deutschland gibt es die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) und in der Schweiz das Bundesamt für Verkehr. Die Stellen bieten kostenfreie Erstberatung sowie Unterstützungsmöglichkeiten bei der Durchsetzung etwaiger Ansprüche an. Gegebenenfalls können in Österreich auch die Arbeiterkammern weiterhelfen.