GZM: Einst das Tor zur Welt, nun nur wegen Corona “belebt”

Verlassene, aber aufgrund der momentanen Nutzung für Corona-Tests sauberen, Abfertigungshalle des Gozo Heliports. Auf der rechten Seite gelangte man zu den Helikoptern (Foto: Jan Gruber).
Verlassene, aber aufgrund der momentanen Nutzung für Corona-Tests sauberen, Abfertigungshalle des Gozo Heliports. Auf der rechten Seite gelangte man zu den Helikoptern (Foto: Jan Gruber).

GZM: Einst das Tor zur Welt, nun nur wegen Corona “belebt”

Verlassene, aber aufgrund der momentanen Nutzung für Corona-Tests sauberen, Abfertigungshalle des Gozo Heliports. Auf der rechten Seite gelangte man zu den Helikoptern (Foto: Jan Gruber).
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Der IATA-Three-Letter-Code GZM ist vermutlich nicht vielen bekannt. Es handelt sich allerdings um den einzigen Luftfahrtort auf einer Mittelmeer-Insel. Die Piste ist mit nur 174 Metern äußerst kurz und damit für nur sehr wenige Flugzeuge tauglich. Weiters gibt es in diesem Staat nur zwei offizielle Flugplätze mit IATA-Three-Letter-Code. Zwar hat dieser Ort ein Terminal, das stark an einen Lostplace erinnert, ist aber kein Flughafen, sondern ein Heliport und zwar der einzige auf der maltesischen Insel Gozo.

Der Start- und Landeplatz, der sich auf dem Gemeindegebiet von Xewkija befindet, ist gar nicht so einfach zu finden, denn Verkehrsschilder, die auf diesen hinweisen würden, gibt es schon lange nicht mehr. Wozu denn auch? Der Linienverkehr wurde vor einigen Jahren eingestellt und seither dümpelt der Gozo Heliport vor sich hin. Das Passagierterminal steht ungenutzt in einer atemberaubenden Landschaft herum, doch die Hecke und die Palmen wurden offensichtlich schon länger nicht mehr geschnitten. Die Scheiben der kleinen Abfertigungshalle, in der es mal Ticketverkauf, Check-In, Sicherheitskontrolle, einen kleinen Kiosk und sogar eine Hertz-Autovermietung gab, strotzen nur so vor Dreck. Innen sieht es in den Räumen hinter den Schaltern nicht viel besser aus. Ein trauriger Anblick, wenn man bedenkt, dass genau dieser Heliport mal eine der Lebensadern der Insel Gozo war.

Tickets werden am Gozo Heliport seit 2006 nicht mehr verkauft und eingecheckt wird auch niemand mehr (Foto: Jan Gruber).

Steht man in dem quasi verlassenen Terminal und blickt auf die Plastiksitze im 90er-Jahre-Style und die verwaisten Schalter, kann man irgendwie nicht so ganz glauben, dass es früher mehrmals täglich Flüge zum Flughafen Luqa (Malta) gab. Ja, sogar das Gepäck wurde durchgecheckt. Umgekehrt konnten Urlauber und Geschäftsreisende aus aller Welt in Luqa in einen Helikopter umsteigen und waren im Nu auf der Insel Gozo. Das Gepäck wurde durchgecheckt bis zum Heliport in Xewkija. Billig waren die Flüge nie, doch eine so große Rolle spielte das vor dem massenhaften Aufkommen von Billigfliegern und nach und nach stark gestiegenen Kerosinpreisen eigentlich nicht.

Auch fast unglaublich erscheint, dass das heutige Terminal und die Helipads, die sich an den beiden Enden der Ultrakurz-Piste befinden, erst im Jahr 1996 eröffnet wurden. Freilich gab es auf dem Areal schon vorher Luftfahrt, denn die Geschichte geht bis in 1940er Jahre zurück. Während die Royal Air Force auf der Insel Malta bis zu sieben RAF-Stützpunkte unterhielt, gab es aus unerklärlichen Gründen auf Gozo keinen einzigen. Die U.S.-Air Force änderte dies und errichtete das Airfield in Ta Lambert. Jetzt wird es aber kurios: Nach nur sechs Wochen wurde die Basis schon wieder geschlossen und verlassen. Warum ist bis heutige nirgendwo dokumentiert. Die Hinterlassenschaften waren dem Verfall preisgegeben. Eine Piste fiel einem Straßenbau zum Opfer, die andere ist theoretisch noch vorhanden, jedoch mit Schutt bedeckt und mittlerweile komplett überwachsen. Im Jahr 1968 beschloss die Regierung Ta Lambert neues Leben einzuhauchen und wollte das Areal in einen Zivilflugplatz umfunktionieren. Malta-Gozo Air Service bestellte dazu bereits Islander, jedoch kam es dazu nie. Nach einem Regierungswechsel wurden die Pläne ad-acta gelegt und nicht weiterverfolgt.

Hier wurden mal die Koffer der Passagiere nach dem Check-In verladen (Foto: Jan Gruber).

Im Jahr 1987 war es dann aber so weit: Gebraucht von Aeroflot erworbene Sowjet-Hubschrauber, die 25 Personen befördern konnten, hoben regelmäßig zwischen Luqa und Ta Lambert ab. Alles war noch sehr notdürftig, denn ein Terminal existierte bis zum Jahr 1996 gar nicht. Die Flugbegleiterinnen wurden anfangs von Balkan Airlines “ausgeliehen”. Nach und nach wurde das Service gar auf 24/7 ausgebaut und die Zusammenarbeit mit der staatlichen Air Malta ermöglichte Anschlüsse in Luqa. Im Jahr 1996 errichtete man die heutigen Helipads und das Terminal, die sich nur wenige Meter entfernt befinden.

Im Schnitt nutzten etwa 30.000 bis 40.000 Passagiere pro Jahr die Helikopter-Flüge zwischen den beiden maltesischen Inseln. Das Allzeithoch wurde 1994 mit 64.000 Reisenden erreicht. Wohl einer der Gründe warum man sich zur Errichtung des damals hochmodernen Heliports entschieden haben könnte. 

Billigflieger, teures Kerosin, eine alternde Flotte und noch dazu hohe Preise am Flughafen Luqa führten über die Jahre hinweg dazu, dass die Malta Air Charter Company, eine Tochter von Air Malta, im Jahr 2004 für immer den Flugbetrieb einstellen musste. Der Staatscarrier konnte dann keine Zubringer bzw. Weiterflüge von/nach Gozo anbieten. Hasting beauftragte die Regierung ein spanisches Unternehmen, das nach nur einem halben Jahr das Handtuch war. Die eingesetzten Helikopter hatten nur elf Sitzplätze und nicht ausreichend Kapazität, um das Gepäck der Reisenden transportieren zu können. Das Chaos war also bereits vorprogrammiert. Seit 2006 ist definitiv Schluss mit diesen Helikopter-Linienflüge und seither dümpelt der Heliport traurig vor sich hin. Angeblich sollen sich auch neuere EU-Richtlinien negativ auf das Geschäft ausgewirkt haben.

Verlassenes Terminal des Gozo Heliports (Foto: Jan Gruber).

Die örtliche katholische Kirche bestückte den Schaukasten vor der Passagierhalle zuletzt im Jahr 2006. Ein wenig sinnbildlich dafür wie ein Stück maltesischer Luftfahrtgeschichte, das mal eine wichtige Lebensader von Gozo war, wie ein Lostplace wirkt. Die Technik für die Abfertigung von Passagieren und Gepäck ist zwar noch vorhanden, aber ob diese noch funktioniert, weiß wohl niemand so genau.

Seit mindestens 1968 machen sich viele Bewohner der Insel von Gozo dafür stark, dass ihre Insel einen eigenen Flughafen bekommt. Man will gar keinen Airport für Großraumjets, für STOL-Flugzeuge wäre vollkommen ausreichend, denn nebst Privatflugzeugen möchte man wieder Anschluss an das internationale Streckennetz ab Luqa bekommen, aber auch domestic rasch in die Nähe der Hauptstadt Valletta kommen. Zuletzt wurde im Jahr 2019 angekündigt, dass man überlegt die Mini-Piste zu verlängern, doch sind die Pläne mal wieder in der Schublade verschwunden. Zu groß ist der Unwille der landwirtschaftlichen Pächtern (das gesamte Areal der ehemaligen Airbase Ta Lambert gehört dem Staat) ihre Felder zurückzugeben und zu groß sind die umwelt- und landschaftsschutztechnischen Bedenken. Es ist also nicht zu erwarten, dass in dieser Angelegenheit, die seit 1968 ein schwelender, immer wieder aufflammender Konflikt zwischen Gozo und Malta ist, Bewegung gerät. Zu groß dürfte auch auf der Hauptinsel die Angst sein, dass Gozo mit einem “richtigen Flughafen” im ganz großen Stil selbst Touristen “angeln” kann. Der Staat Malta ist zwar sehr klein, doch die Inseln sind gebirgig und somit ist die Weiterreise von Luqa auf die Insel Gozo eine sehr zeitaufwendige Angelegenheit mit dem Auto bzw. Linienbus und anschließend mit der Fähre. Für Bewohner der “kleineren Malta-Insel” Alltag, für Urlauber mühsam. Aber es lohnt sich in jedem Fall, Gozo hat sehr viel zu bieten.

Erleben Sie Impressionen vom Gozo Heliport:

Bleibt also am Ende nur die Hoffnung, dass am Gozo Heliport, der den IATA-Code GZM trägt, irgendwann wieder mehr Leben einkehrt. Sinnbildlich für die gesamte Situation: Auf dem Areal werden derzeit Corona-Tests auf dem Parkplatz durchgeführt. Teile des Terminals werden als Abstellräume und für das medizinische Personal genutzt und ein Helikopter wird vorsorglich auf dem sich der Straße zugewandten Helipad bereitgehalten. Könnte ja sein, dass ein Patient, der Symptome zeigt, schnell in ein Spital auf Gozo oder Malta gebracht werden muss. Abgesehen vom Einsatz für Medicial-Zwecke wird das Helipad nur sehr selten genutzt. Gewerblich darf man dort sowieso schon lange nicht mehr landen. Privat wäre möglich, kommt aber wegen der kurzen Piste äußerst selten vor. Übrigens: Die Feuerwehr auf dem Gelände ist einsatzfähig, denn diese ist in erster Linie für die umliegenden Gemeinden zuständig und betreute schon immer den Heliport nebenbei. Corona ist nicht schuld daran, dass der Gozo Heliport ein defacto-Lostplace ist. Eher hauchte die Pandemie dem traurigen Luftfahrtort wenigstens ein kleines bisschen Leben ein, wenn auch nicht fliegerisch und keinesfalls erwünscht.

Am Gozo Heliport wird ein Hubschrauber für medizinische Zwecke bereitgehalten (Foto: Jan Gruber).

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