Die Insolvenz des Münchner Reisekonzerns FTI markiert einen tiefen Einschnitt in die europäische Tourismusbranche. Mit einem Schuldenberg von einer Milliarde Euro und der Abwicklung der beiden Kerngesellschaften FTI Touristik und „BigXtra“ Touristik steht der drittgrößte europäische Reiseanbieter vor dem endgültigen Aus. Diese dramatische Entwicklung betrifft nicht nur die 700 Mitarbeiter, die ihre Kündigung erhalten haben, sondern auch Hunderttausende von Reisenden, die nun auf eine Erstattung ihrer Vorauszahlungen hoffen.
Der Insolvenzantrag von FTI im Juni 2024 kam für viele nicht überraschend. Bereits im Vorfeld hatte sich die finanzielle Lage des Konzerns zugespitzt. Kunden und Reisebüros wurden zunehmend vorsichtiger, neue Buchungen blieben aus, und Vertragspartner verlangten Vorkasse. Dies führte dazu, dass dem Unternehmen das Geld ausging. Ein weiterer entscheidender Punkt war das Fehlen der obligatorischen Sicherungsscheine beim Deutschen Reisesicherungsfonds (DRSF), ohne die FTI keine Reisen mehr verkaufen konnte.
Im Moment der Insolvenzanmeldung befanden sich nur noch rund 30 Millionen Euro auf den Konten des Unternehmens – eine Summe, die in Anbetracht der Schulden und der bevorstehenden Rückzahlungen an Gläubiger und Kunden nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Der Insolvenzverwalter Axel Bierbach sieht die Lage realistisch: „Die gesamte Abwicklung wird Jahre dauern. Das ist ein Marathon.“
Auswirkungen auf Reisende und Gläubiger
Rund 60.000 Urlauber, die sich zum Zeitpunkt der Insolvenz auf Reisen mit FTI befanden, wurden weitgehend ohne größere Probleme zurückgeholt. Neue Abreisen wurden sofort gestoppt. Doch für etwa 175.000 Reisende, die ihre Reise bereits ganz oder teilweise bezahlt hatten, stellt sich nun die Frage der Erstattung. Der Deutsche Reisesicherungsfonds (DRSF) springt in vielen Fällen ein, insbesondere für Pauschalreisende. Diese können sich auf eine Rückerstattung ihrer Zahlungen verlassen, wenngleich Zusatzleistungen wie gebuchte Ausflüge nicht abgedeckt sind. In diesen Fällen bleibt den Kunden nur die Möglichkeit, ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden.
Die Frage, wie viel Geld die Gläubiger, darunter auch Banken, Reisebüros, Fluggesellschaften und der staatliche Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), am Ende erhalten werden, bleibt offen. Besonders der WSF, der während der Corona-Pandemie rund 600 Millionen Euro in den Konzern investierte, wird vermutlich nur einen Bruchteil seiner Forderungen zurückerhalten. Die erste Gläubigerversammlung am 20. November in München wird hier möglicherweise erste Klarheit bringen, jedoch rechnet Bierbach nicht mit einer hohen Beteiligung, da viele Gläubiger nur geringe Forderungen haben.
Das Vermögen von FTI und die Abwicklung
Ein Teil des Vermögens der FTI-Gruppe besteht aus 54 Hotels mit insgesamt 12.000 Zimmern, die entweder im Eigentum von FTI stehen oder langfristig geleast sind. Diese Hotels sollen nun verkauft werden, um zumindest einen Teil der Schulden zu decken. Laut Bierbach gibt es bereits einige Interessenten, und die Verhandlungen sind zum Teil schon weit fortgeschritten.
Neben den Hotels hat FTI auch mehrere Tochterunternehmen verkauft, darunter den Luxusreisenanbieter Windrose, das Service-Center „Erf24“ in Erfurt und das Online-Portal „5vorFlug“. Diese Verkäufe werden jedoch nicht ausreichen, um die gigantischen Schulden zu begleichen, und die vollständige Abwicklung des Konzerns wird sich über Jahre hinziehen.
Auswirkungen auf die Mitarbeiter
Für die Mitarbeiter von FTI bedeutet die Insolvenz in erster Linie große Unsicherheit und Jobverlust. Von den mehr als 11.000 Beschäftigten weltweit sind heute noch 7.500 in Hotels vor Ort tätig, deren Betrieb uneingeschränkt weiterläuft. In Deutschland allerdings erhielten 600 Mitarbeiter ihre Kündigung mit Wirkung zum 1. September 2024, weitere 130 bleiben noch für die Abwicklung beschäftigt. Für einige der gekündigten Mitarbeiter gibt es dennoch Hoffnung: Mehr als 320 haben bereits eine neue Stelle gefunden, teils durch Bewerbertage, die in der FTI-Zentrale in München mit Kunden und Konkurrenten wie Tui, DER, der Deutschen Bahn oder Jochen Schweizer organisiert wurden.
Eine Branche im Umbruch
Die Insolvenz von FTI zeigt deutlich, wie fragil die Tourismusbranche nach der Corona-Pandemie geworden ist. Große Konzerne, die früher als stabil galten, stehen nun vor existenziellen Herausforderungen. Für die Betroffenen, ob Kunden, Mitarbeiter oder Geschäftspartner, beginnt nun eine lange Phase der Unsicherheit. Während die Abwicklung des Konzerns vermutlich Jahre in Anspruch nehmen wird, bleibt die Frage offen, wie die Branche aus dieser Krise hervorgehen wird. Die Insolvenz von FTI könnte ein Weckruf für die gesamte Tourismusbranche sein, sich besser gegen zukünftige Krisen zu wappnen.