Österreich: Missachtung der Fluggastrechte kann Airline-Chefs Haftstrafen einbrocken

Passagier vor einer Anzeigetafel (Foto: Unsplash/Erik Odiin).
Passagier vor einer Anzeigetafel (Foto: Unsplash/Erik Odiin).

Österreich: Missachtung der Fluggastrechte kann Airline-Chefs Haftstrafen einbrocken

Passagier vor einer Anzeigetafel (Foto: Unsplash/Erik Odiin).
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Weitgehend unbekannt ist, dass Verstöße gegen die Fluggastrechteverordnung auch verwaltungstrafrechtliche Konsequenzen für Fluggesellschaften und deren Manager haben können. Jeder betroffene Passagier kann bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde eine Anzeige erstatten. Diese ist aus gesetzlichen Gründen dazu verpflichtet zumindest ein behördliches Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Die EU-Verordnung 261/2004 ist die Grundlage für die Passagierrechte, die von den Fluggesellschaften im Falle von Verspätungen und/oder Streichungen einzuhalten ist. Unter anderem ist vorgesehen, dass Betreuungsleistungen, Ersatzbeförderungen und unter bestimmten Umständen auch Entschädigungen geben muss. In der Praxis nehmen es aber viele Anbieter nicht sonderlich genau und behaupten beispielsweise, dass entgegen höchstrichterlicher Urteile des OGH und des EuGH Umbuchungen nur auf eigene Flüge möglich wären oder lassen ihre Passagiere einfach ohne Verpflegung und Getränke sprichwörtlich im Regen stehen. Nicht selten reagiert man auf Forderungen auf Erstattung von Mehrkosten und Auszahlung der Ausgleichsleistung gar nicht oder schiebt abenteuerliche Ausreden vor, so dass viele Fälle vor Gericht landen.

Airline-Manager haften für „Strafzettel“ mit dem Privatvermögen

Die Fluggastrechte-Verordnung ist aber nicht rein zivilrechtlich, sondern auch verwaltungsrechtlich. Dies hat der EuGH bereits vor einiger Zeit festgestellt, denn sofern eine Ermächtigung der Regierung erteilt wurde, können staatliche Behörden Ansprüche wie Ausgleichsleistungen auch mittels Bescheid feststellen. Sofern die Rechtskraft eintritt, können die Ansprüche dann mittels Exekution zwangsweise eingetrieben werden.

Weniger bekannt ist aber, dass die Missachtung der Passagierrechte eine Verwaltungsübertretung darstellt und dies kann sowohl für die Airline als auch deren Manager Konsequenzen haben. Die zuständigen Behörden können Geldstrafen, in besonders schweren Fällen auch Haftstrafen verhängen. Die österreichische Besonderheit: Die Verfahren werden stets gegen die Geschäftsführer der jeweiligen Airline geführt, wobei diese zu ungeteilter Hand mit der belangten Airline für den Strafbetrag haften und damit theoretisch auch gepfändet werden. Im Fall der Verhängung einer Haftstrafe kann jedoch nur der Manager diese selbst antreten.

Bislang hält sich das Aufkommen an Anzeigen, die an Bezirksverwaltungsbehörden gerichtet werden, in sehr eng gesteckten Grenzen. Die meisten werden von der staatlichen Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte erstattet. Das liegt wohl auch daran, dass diese Vorgehensweise vielen Rechtsanwälten und erst recht betroffenen Passagieren weitgehend unbekannt ist. Das dürfte wohl auch an der Komplexität der EU-Verordnung liegen, denn in einigen Punkten überschneidet diese sich mit dem nationalen Verwaltungsrecht.

Jeder kann Anzeigen an Verwaltungsbehörden erstatten

Zuständig für Verwaltungsstrafverfahren bezüglich Fluggastrechten ist stets jene Bezirksverwaltungsbehörde, in deren Zuständigkeitsbereich sich der Flughafen des Abflugs- oder Zielorts in Österreich befindet. Diese sind wie folgt:

  • Flughafen Wien: Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha
  • Flughafen Graz: Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung
  • Flughafen Klagenfurt: Landespolizeidirektion Kärnten als Verwaltungsbehörde I. Instanz
  • Flughafen Salzburg: Landespolizeidirektion Salzburg als Verwaltungsbehörde I. Instanz
  • Flughafen Linz: Bezirkshauptmannschaft Linz-Land
  • Flughafen Innsbruck: Landespolizeidirektion Innsbruck als Verwaltungsbehörde I. Instanz

Jede Person kann Verstöße gegen die Fluggastrechte bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde zur Anzeige bringen. Dabei empfiehlt es sich eine Sachverhaltsdarstellung, in der Abflugs- und Zielort, Datum, Uhrzeit, Airline, Flugnummer und zusammengefasst was passiert ist bzw. woran sich die Airline nicht gehalten hat, enthalten sind. Es ist empfehlenswert, wenn die eigenen Kontaktdaten sowie jene von Zeugen (zum Beispiel Mitreisende, mit denen man z.B. am Gate zu Beweiszwecken die Kontaktdaten ausgetauscht hat) angegeben werden. Weiters sollte alles möglichst genau, beispielsweise mit Fotos, Screenshots udgl. dokumentiert werden und dies der Anzeige beigelegt werden.

Je nach Bundesland können solche Anzeigen auch elektronisch über die Bürgerkarte (inklusive Handysignatur und ID-Austria) an die Bezirksverwaltungsbehörde übermittelt werden. Dazu kann man „Allgemeine Eingabe“ verwenden und führt dann im Fließtext aus, dass es sich um eine Anzeige handelt. Alternativ kann man Anzeigen an Behörden auch per E-Mail und Post übermitteln. Die persönliche Abgabe ist ebenfalls möglich. Auch ist darauf hinzuweisen, dass man auch das Recht hat Anzeigen mündlich zu Protokoll zu geben. Es ist empfehlenswert, dass man dazu bei der jeweiligen Behörde vorab anruft und einen Termin vereinbart. Tipp: Alle Beweise und Kontaktdaten von Zeugen mitnehmen.

APF erstattet häufig Verwaltungsstrafanzeigen gegen Airlines und deren Manager

Wer sich den bürokratischen Aufwand sparen möchte, kann hierfür auch einen Rechtsanwalt auf eigene Kosten beauftragen. Manche Rechtsschutzversicherer decken dies ab, jedoch sollte man unbedingt bei der jeweiligen Assekuranz Rücksprache halten. Es gibt aber auch eine kostenfreie Lösung, denn die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte erstattet bei erfolglosen Schlichtungsverfahren ebenfalls Anzeigen an die Bezirksverwaltungsbehörden gegen die Airline bzw. deren Management.

Dazu erklärt Sprecher Georg Loderbauer gegenüber Aviation.Direct: „Die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (apf) ist seit Ende Mai 2015 in Österreich die gesetzliche Schlichtungs- und Durchsetzungsstelle für den Bahn-, Bus-, Schiffs- und Flugverkehr. Im Rahmen der Schlichtungstätigkeit ist sie für die Klärung von Passagierbeschwerden mittels außergerichtlicher Streitbeilegung verantwortlich und verhilft Fahr- und Fluggästen im Streitfall mit einem Unternehmen zu ihrem Recht. In ihrer Funktion als Durchsetzungsstelle informiert die apf Fahr- und Fluggäste im Bahn-, Bus-, Schiffs- und Flugbereich über ihre Rechte, prüft die Einhaltung der in den EU-Verordnungen verankerten Fahr- und Fluggastrechte und setzt, wenn nötig, weitere Schritte, um die betroffenen Unternehmen zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu bewegen. Im Flugbereich sind dies die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von Flugreisenden mit Behinderung bzw. eingeschränkter Mobilität. Kann im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens keine Lösung gefunden werden, die den Verstoß gegen eine Fahr- bzw. Fluggastrechteverordnung beseitigt, bringt die apf im Rahmen ihrer Funktion als Durchsetzungsstelle eine Anzeige bei der zuständigen Verwaltungsstrafbehörde ein. Zum einen sind Luftfahrtunternehmen bzw. Zivilflugplatzhalter verpflichtet, an einem Schlichtungsverfahren der apf mitzuwirken und alle zur Beurteilung der Sachlage erforderlichen Auskünfte zu erteilen sowie erforderliche Unterlagen vorzulegen (§ 139a Abs 1 und 2 LFG). Zum anderen stellt das LFG einen Verstoß gegen die erwähnten Fluggastrechteverordnungen unter Strafe. Diese Verwaltungsübertretungen sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 22 000 Euro zu bestrafen. Liegen erschwerende Umstände vor, so kann neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen verhängt werden. Bei Verstößen gegen die gesetzliche Mitwirkungspflicht am Schlichtungsverfahren ist der Magistrat der Stadt Wien als Bezirksverwaltungsbehörde zuständig. Bei Verstößen gegen die zuvor erwähnten Verordnungen gibt es derzeit keine generelle örtliche Zuständigkeit, was eine Einzelfallprüfung notwendig macht. Im Flugbereich hat die apf seit der Novelle zum LFG (BGBl 253/1957 idF BGBl I 151/2021) Parteistellung in Verwaltungsstrafverfahren. Die apf ist demnach berechtigt, in alle Verfahrensakte Einsicht zu nehmen, alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen und Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht sowie Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben“.

APF selbst ist keine Verwaltungsbehörde

Die APF selbst darf keine Verwaltungsstrafverfahren führen, da man seitens der Bundesregierung dazu (noch) nicht ermächtigt wurde. Laut dem Medienreferenten der staatlichen Behörde obliegt dies derzeit den Bezirksverwaltungsbehörden. Wohl aber ist die APF befugt Anzeigen an das jeweils zuständige Amt zu erstatten.

Die Frage wer grundsätzlich zur Erstattung von Verwaltungsstrafanzeigen bei Verstößen gegen die Fluggastrechteverordnung befugt ist, beantwortet der APF-Sprecher wie folgt: „Grundsätzlich kann jede Person bei Verletzungen gegen die oben angeführten Fluggastrechteverordnungen eine Anzeige erstatten. Die apf sieht sich in ihrer Funktion als Schlichtungsstelle als Vermittlerin zwischen Fluggästen und den Airlines. Die außergerichtliche Streitbeilegung ist aus Sicht der apf aus Ressourcen-Gründen vorzuziehen. Grundsätzlich verfügt die apf über eine gute Arbeitsbasis mit den betroffenen Unternehmen“.

Sogar Haftstrafen können gegen Manager verhängt werden

Doch was ist eigentlich, wenn die Airline ihren Sitz im Ausland hat? Haben dann österreichische Verwaltungsbehörden überhaupt irgendeine Handhabe? Darauf antwortet APF-Sprecher Loderbauer wie folgt: „In Österreich ist gemäß § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind. Gemäß § 9 Abs. 7 VStG haften juristische Personen und eingetragene Personengesellschaften für über die zur Vertretung nach außen Berufenen oder über einen verantwortlich Beauftragten verhängte Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand. Somit werden die Straferkenntnisse grundsätzlich gegen den CEO oder die Vorstandsmitglieder des Luftfahrtunternehmens erlassen, wobei das Luftfahrtunternehmen selbst für die verhängte Geldstrafe solidarisch haftet. Wenn die rechtskräftigt verhängte Verwaltungsstrafe nicht gezahlt wird, muss im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens der jeweilige Staat Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen“.

Mit anderen Worten: In schweren Fällen können Haftstrafen angeordnet werden. Wie in einem Rechtsstaat generell üblich hat der Betroffene natürlich das Recht gegen den Bescheid juristisch vorzugehen. Sollte dieser in letzter Instanz (oder durch das Versäumen von Rechtsmittelfristen) rechtskräftig werden, könnte die österreichische Behörde im gesamten EU-Raum ein ausländisches Amt um Amtshilfe ersuchen und über diese dann die Geldstrafe eintreiben oder gar den Antritt der Freiheitsstrafe durchsetzen.

Somit kann es für Manager durchaus empfindlich teuer werden, wenn die von ihnen geleiteten Unternehmen „vergessen“ ihre „Strafzettel“ zu bezahlen, denn diese haften auch mit ihrem Privatvermögen. Bemerkenswerterweise gibt es aber überhaupt keine Statistik darüber wie viele Verwaltungsstrafverfahren im Zusammenhang mit Fluggastrechten bislang geführt wurden, welche Strafen verhängt wurden bzw. wie viele davon eingestellt wurden oder anderweitig „versandet“ sind.

1 Comment

  • Wolfgang Ludwig , 6. November 2023 @ 16:01

    Den Artikel hebe ich mir gut auf!!!
    Danke für die Recherche!

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  • Wolfgang Ludwig , 6. November 2023 @ 16:01

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