People‘s-Chef Krutzler: „Wenn wir nicht mehr fliegen, gibt es keine Wien-Flüge mehr“

Thomas Krutzler (Foto: Jan Gruber).
Thomas Krutzler (Foto: Jan Gruber).

People‘s-Chef Krutzler: „Wenn wir nicht mehr fliegen, gibt es keine Wien-Flüge mehr“

Thomas Krutzler (Foto: Jan Gruber).
Werbung

Das private Flugfeld St.Gallen-Altenrhein ist ein Unikum in der österreichisch-schweizerischen Luftfahrt. Nicht nur der Umstand, dass es sich um den einzigen Airport mit diesem rechtlichen Status, der über regelmäßigen Linien- und Charterverkehr verfügt handelt, sondern die kleine Firmengruppe verfügt auch über eine hauseigene, zertifizierte Fluggesellschaft. Aviation Direct sprach mit People‘s-Geschäftsführer Thomas Krutzler über den Status quo, Zukunftspläne und auch darüber, warum man in St.Gallen-Altenrhein froh ist klein zu sein.

Während die meisten Flughäfen und Airlines ambitionierte Expansionspläne haben, ist die Situation in St.Gallen-Altenrhein anders. Man ist stolz darauf, klein und effizient zu sein und sieht genau das als große Stärke an. Zwar befindet sich der Flugplatz in der Schweiz, jedoch werden die von People‘s bedienten Linienflüge nach Wien hauptsächlich von Vorarlbergern genutzt. Das hat auch seinen Grund, denn abgesehen vom Burgenland ist das Ländle das einzige österreichische Bundesland, das über keinen eigenen Verkehrsflughafen verfügt. Das ist in gewisser Weise historisch gewachsen, denn die Luftfahrt in Vorarlberg ist stark von den Pionierleistungen des Rolf Seewald geprägt.

Rolf Seewald brachte Linienflüge nach St. Gallen-Altenrhein

Er startete mit seiner Rheintalflug zunächst in Hohenems, jedoch stieß er dort hinsichtlich des möglichen Fluggeräts rasch an die Grenzen des Machbaren. Die Lösung: Ab dem privaten Flugfeld St.Gallen-Altenrhein wurden die Wien-Flüge etabliert. Zu Spitzenzeiten gab es bis zu sechs tägliche gegenläufige Rotationen, die zuletzt mit de Havilland Dash 8-300 und Embraer 145 bedient wurden. Nach der Übernahme durch Austrian Airlines und der anschließenden Fusion mit Tyrolean Airways wurde die einstige Rennstrecke nach und nach abgebaut.

Das brachte auch Markus Kopf, den heutigen Eigentümer des Flugplatz St.Gallen-Altenrhein, regelrecht unter Zugzwang. Er wusste sehr genau, dass der Airport ohne die Wien-Linienflüge nicht wirtschaftlich zu betreiben ist. Die Lösung des Problems: Eine hauseigene Airline mit österreichischem AOC wurde ins Leben gerufen und kurzzeitig gab es mit People‘s und der AUA sogar zwei Anbieter auf der Regionalstrecke. Obwohl das damalige Austrian-Airlines-Management wiederholt beteuerte, dass man St.Gallen-Altenrhein zumindest bis zum Ende des Vertrages im Streckennetz haben wird, obsiegte die kleine People‘s im Wettbewerb. Die AUA zog sich zurück. Es kommt in der Branche nicht gerade häufig vor, dass ein Carrier, der einem großen Konzern wie Lufthansa angehört, gegen einen kleinen Newcomer regelrecht „kapituliert“ und sich zurückzieht.

Airport- und Airline-Chef Krutzler: „Wir sind stolz darauf klein zu sein“

Doch wohin geht die Reise für die kleine Airline, deren einziger Embraer 170 auf den Namen „Laura“ getauft ist und den für Vorarlberg äußerst wichtigen Airport St.Gallen-Altenrhein? Geschäftsführer Thomas Krutzler erklärt im Gespräch mit Aviation.Direct, dass mit „großen Expansionsschritten“ so ganz und gar nicht zu rechnen ist. „Laura“ wird auch kein „Geschwisterchen“ bekommen, sondern auf absehbare Zeit wird es bei der so genannten Single-Aircraft-Operation bleiben. Auch hat das Management um Krutzler kein unmittelbarer Handlungsbedarf hinsichtlich einem möglichen Nachfolgemuster, denn erst kürzlich hat man viel Geld in das bestehende Flugzeug, das sich im Eigentum der Firmengruppe befindet, gesteckt. Einstige Pläne bis zu zwei Embraer E190-E2 werksneu einzuflotten hat man längst aufgegeben.

Thomas Krutzler erklärte, dass es vorläufig bei bis zu zwei täglichen Umläufen auf der St.Gallen-Altenrhein-Wien-Strecke bleiben wird. Ein mögliches Comeback der Mittagsflüge will er zwar nicht grundsätzlich ausschließen, aber kurzfristige Pläne hat man dafür nicht. Dies soll, so der Manager, verschiedene Gründe haben. Man will den Passagieren planbare und stabile Verbindungen garantieren, jedoch müsste man, wenn man sowohl Charter- als auch die Mittagsflüge bedienen möchte, zwei Flugzeuge haben. Hat man aber nicht mehr, weshalb man bei People‘s zu Gunsten von Stabilität und Qualität statt Quantität entschieden hat.

Klimaticket wirkt sich negativ auf die Nachfrage aus

Angesprochen die Passagierzahlen erklärte Thomas Krutzler, dass man von der Corona-Pandemie und dem Umstand, dass Österreich und die Schweiz zum Teil stark unterschiedliche Einreise- und Quarantänebestimmungen hatten, stark getroffen war. Mittlerweile habe sich die Nachfrage erholt. Sowohl hinsichtlich der Einnahmen als auch der Passagierzahlen wäre die Tendenz „eindeutig positiv“, so der Airline- und Flughafenchef.

Doch People‘s plagt mittlerweile ein ganz anderes Problem. Österreichische Firmen müssen den Kohlenstoffdioxid-Ausstoß ihrer gesamten Geschäftstätigkeit – inklusive Dienstreisen – dokumentieren und melden. Das kann mitunter teuer werden, denn die von Leonore Gewessler (Grüne) imitierte Gesetzgebung verursacht den Unternehmern nicht nur enormen bürokratischen Aufwand, sondern auch Mehrkosten. Das führt dazu, dass zahlreiche Vorarlberger Firmen an ihre Mitarbeiter Klimatickets ausgegeben haben und Dienstreisen, die nicht zeitkritisch sind, auf die Schiene verlagert haben. „Wir sehen auch das Phänomen, dass für die Anreise nach Wien der People‘s-Flug genutzt wird und zurück geht es dann mit dem Zug – oder umgekehrt“, so Krutzler. „Ja, wir spüren die Konkurrenz durch das Klimaticket stark und zwar nicht nur bei Privatreisenden, sondern auch bei Firmenkunden, die sich mittlerweile sehr genau überlegen, ob das Flugzeug genutzt wird oder nicht“.

Rechnen sich die Wien-Flüge nicht mehr, werden sie eingestellt

Inzwischen seien die St.Gallen-Altenrhein-Wien-Flüge wieder kostendeckend. Ob das auf Dauer so bleiben wird, hängt von der Annahme durch den Markt ab. „Es muss allen klar sein, dass wenn sich die Linienflüge nicht mehr rechnen, wir nicht bereit sind, Verluste auf Dauer zu tragen. Als Konsequenz müsste die Linienverbindung eingestellt werden. Es muss der Vorarlberger, Liechtensteiner und Ost-Schweizer Wirtschaft und Industrie bewusst sein: Wenn unser Angebot nicht ausreichend nachhaltig angenommen wird, dann gibt es keine Flugverbindung nach Wien mehr“, erklärt Krutzler. Denn ein alternativer Operator sei – u.a. auch aufgrund operationeller Einschränkungen am St.Gallen-Altenrhein Airport – so gut wie ausgeschlossen. „80 bis 85 Prozent der Kunden sind Geschäftsreisende“.

Auch wenn man in St.Gallen-Altenrhein derzeit überhaupt keine Ambitionen hat an die Erneuerung der Flotte zu denken, hat Thomas Krutzler schon einen theoretischen und aus seiner Sicht logischen Nachfolger im Hinterkopf: „Unseren Embraer 170 können wir noch sicher und zuverlässig rund 8-10 Jahre fliegen. Bis dahin werden wir uns auf dem Markt umsehen und möglicherweise wäre der Embraer 175-E1-Plus ein potenzieller Nachfolger. Bis es soweit ist, dürfte es allenfalls auf dem Gebrauchtmarkt interessante Optionen geben. Kurzfristig, auf die nächsten paar Jahre gesehen, wird es aber bei unserer zuverlässigen „Laura“ bleiben“.

Turbopropflugzeuge „derzeit keine Option“

Angesprochen darauf, ob beispielsweise die ATR72-600 kostengünstiger auf der Wien-Strecke betrieben werden könnte, stimmte Krutzler zu und merkte an: „Wenn man nur Altenrhein-Wien-Altenrhein betrachtet, ist die ATR72-600 kostengünstiger zu betreiben. Allerdings könnten wir dann die Charterflüge, die wir für lokale Reiseveranstalter durchführen, großteils nicht mehr bedienen, weil die Reichweite dieses Musters nicht ausreichend ist. Daher ist die ATR72-600 für uns keine Option. Wir sind mit dem Embraer 170, der momentan das aus unserer Sicht für unsere Bedürfnisse ideale Flugzeug ist, sehr zufrieden“.

Formell gesehen ist St. Gallen-Altenrhein gar kein Flughafen, sondern ein privates Flugfeld, das über keine Flughafenkonzession nach schweizerischem Recht verfügt. Diese braucht man auch nicht, denn es gab bereits vor der Gesetzesänderung regelmäßigen Linienverkehr, so dass St. Gallen-Altenrhein von einem Bestandsschutz profitiert. Das heißt aber auch, dass die Anzahl der kommerziellen Flugbewegungen begrenzt ist und bei Überschreiten der Antrag auf Konzessionierung als Flughafen gestellt werden muss. Laut Krutzler ist man noch weit von dieser Marke entfernt: „Derzeit haben wir rund 30‘000 Flugbewegungen pro Jahr, bis zu 36‘000 Movements dürfen wir haben“, so der Manager. „Besonders hinsichtlich dem Lärmschutz halten wir uns an die Auflagen, die sich unter anderem aus dem aktuell gültigen Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Österreich ergeben“.

Vorarlberger steigen nicht gerne in Wien um

Tatsächlich wird St.Gallen-Altenrhein hauptsächlich von Vorarlbergern genutzt. Umso grotesker ist es, dass ausgerechnet aus diesem österreichischen Bundesland durchaus auch heftiger Gegenwind kommt. Dazu Krutzler: „Wie jeder Airport weltweit gesehen haben wir natürlich nicht nur Gönner. Das ist nichts Besonderes. Wir sind im kontinuierlichen Austausch insbesondere mit den Institutionen der Landesregierung von Vorarlberg. Ein angepasstes Regelwerk liegt grundsätzlich bereits vor und wird möglicherweise in absehbarer Zeit bilateral weiterverhandelt werden können. Kritik nehmen wir jedenfalls sehr ernst“.

People‘s unterhält übrigens mit Austrian Airlines keine Kooperation. Durchgehende Tickets – mit Umstieg in Wien – können nicht gebucht werden. Krutzler meinte, dass er im Gespräch mit den AUA-Verantwortlichen übereingekommen wäre, dass es für beide Seiten nicht wirklich Sinn machen würde. Zu Zeiten, in denen die AUA diese Route bedient hatte, waren lediglich 15 Prozent der Passagiere Umsteiger. Diese würden nun – beispielsweise – ab Zürich oder München fliegen. Der Aufwand für Interline- und/oder Codeshare-Kooperationen würde für beide Carrier einen angesichts der geringen Nachfrage im Bereich Umsteigeflüge von/nach St.Gallen-Altenrhein einen unverhältnismäßig hohen Aufwand darstellen.

Lounges bekommen Fresh-Up und die Piste einen neuen Belag

Am kleinen Flugplatz, dessen Terminal eine Zusammenstellung aus Containern, die von innen jedoch ansprechend gestaltet sind, ist, wird es in Kürze zwei Neurungen geben: „Wir werden sowohl die Business- als auch die Piloten-Lounge erheblich aufwerten. Das betrifft die Einrichtung, das Angebot und das Design. Den Passagieren und Piloten der Business Aviation werden wir schon in Kürze deutlich mehr anbieten, denn der Markt erwartet das einfach“, so Krutzler. Das während der Flüge inkludierte Catering habe man nicht wegen der Kosten abgeschafft, sondern: „Ich bin da ganz ehrlich, so viel sparen wir durch die Abschaffung der Speisen nicht ein. Mich hat aber der enorme Food-Waste, den wir jeden Abend in St.Gallen-Altenrhein gehabt haben, sehr gestört. Viele Passagiere wollten gar nichts essen oder haben sich bereits vor dem Flug in der Lounge bedient. Daher haben wir die inkludierten Speisen abgeschafft. Getränke sind weiterhin inklusive“.

Ein größeres Projekt steht dem kleinen Airport im Sommer 2025 bevor. Der Deckbelag der rund 1500 Meter langen Piste muss saniert werden. Dies führt dazu, dass für voraussichtlich 3 Wochen die asphaltierte Start- und Landebahn nicht genutzt werden kann. „Wir sind derzeit noch in Abstimmung mit dem Bundesamt für Zivilluftfahrt und unseren Partnern. Es ist noch offen, ob während der temporären Schließung der Helikopterbetrieb als auch unsere Graspiste durch die General Aviation genutzt werden kann oder nicht. Auf der Linie haben wir uns noch nicht entschieden, ob wir die Wien-Flüge während der Sanierungsarbeiten aussetzen werden oder aber temporär nach Friedrichshafen oder Memmingen verlegen werden. Auch hinsichtlich Charterflüge sind wir mit unseren Reiseveranstalterpartnern im engen Austausch“, so Krutzler. „Wir werden es aber so früh wie möglich mitteilen, so dass unsere Kunden und Partner eine verlässliche Planbarkeit haben“.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Redakteur dieses Artikels:

Jan Gruber ist seit seiner Jugend an der Luftfahrt interessiert und bei Aviation.Direct auf die Regionalluftfahrt und Low-Cost-Carrier spezialisiert.
[ssba-buttons]

Paywalls mag niemand
– auch Aviation.Direct nicht!

Informationen sollten frei für alle sein, doch guter Journalismus kostet viel Geld.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie Aviation.Direct freiwillig auf eine Tasse Kaffee Kaffee einladen.

Damit unterstützen Sie die journalistische Arbeit unseres unabhängigen Fachportals für Luftfahrt, Reisen und Touristik mit Schwerpunkt D-A-CH-Region und zwar freiwillig ohne Paywall-Zwang.

Wenn Ihnen der Artikel nicht gefallen hat, so freuen wir uns auf Ihre konstruktive Kritik und/oder Ihre Verbesserungsvorschläge wahlweise direkt an den Redakteur oder an das Team unter unter diesem Link oder alternativ über die Kommentare.

Ihr
Aviation.Direct-Team
Paywalls
mag niemand!

Über den Redakteur

Jan Gruber ist seit seiner Jugend an der Luftfahrt interessiert und bei Aviation.Direct auf die Regionalluftfahrt und Low-Cost-Carrier spezialisiert.
[ssba-buttons]

Paywalls mag niemand
– auch Aviation.Direct nicht!

Informationen sollten frei für alle sein, doch guter Journalismus kostet viel Geld.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie Aviation.Direct freiwillig auf eine Tasse Kaffee Kaffee einladen.

Damit unterstützen Sie die journalistische Arbeit unseres unabhängigen Fachportals für Luftfahrt, Reisen und Touristik mit Schwerpunkt D-A-CH-Region und zwar freiwillig ohne Paywall-Zwang.

Wenn Ihnen der Artikel nicht gefallen hat, so freuen wir uns auf Ihre konstruktive Kritik und/oder Ihre Verbesserungsvorschläge wahlweise direkt an den Redakteur oder an das Team unter unter diesem Link oder alternativ über die Kommentare.

Ihr
Aviation.Direct-Team
Paywalls
mag niemand!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Werbung