Ein durchaus ungewöhnliches Vorgehen der Ryanair-Tochter Lauda beschäftigte am Flughafen Stuttgart die Polizei. Der Carrier bat Besatzungen zum Alkohol- und Drogentest. Diese wurden jedoch nicht vom Luftfahrt-Bundesamt angeordnet, sondern der Carrier selbst baufragte ein irisches Labor, das Haarproben nehmen wollte.
Aus Polizeikreisen wird berichtet, dass der Vorfall am Flughafen Stuttgart durchaus ungewöhnlich ist, denn zwar müssen sich Piloten seit dem Germanwings-Absturz durchaus auf Testungen einstellen, jedoch werden diese normalerweise stets behördlich angeordnet und durchgeführt. Dazu kommt, dass es für Flugbegleiter momentan keine gesetzliche Grundlage für die Durchführung derartiger Tests gibt. Zwar ist dies in Brüssel momentan in Diskussion, jedoch beschlossen wurde noch nichts.
Sicherheit ist in der Luftfahrt stets das höchste Gut, weshalb manche Fluggesellschaften auf Basis einer Betriebs- oder Einzelvereinbarung die Grundlage für die Durchführung von Alkohol- und Drogentests geschaffen haben. In vielen jüngeren Ryanair- und Malta-Air-Arbeitsverträgen – auch über Leiharbeitsfirmen – ist dies beispielsweise in einer Klausel geregelt. Somit liegt dann die Zustimmung des Mitarbeiters vor. Ganz anders jedoch bei Lauda-Altverträgen, denn in diesen existiert ein solcher Passus nicht. Auch gibt es keine Betriebsvereinbarung, denn in Deutschland hat die Ryanair-Tochter keinen Betriebsrat, mit dem eine solche abgeschlossen werden könnte.
Der Ablauf solcher Testungen, unabhängig davon, ob eine behördliche Kontrolle oder auf Basis einer Betriebs- oder Einzelvereinbarung durchgeführt wird, ist in Deutschland im Luftsicherheitsgesetz geregelt. Darin ist auch zu lesen, dass zwingend ein Arzt anwesend sein muss.
Aus Polizeikreisen ist zu hören, dass die Art und Weise wie die Testungen durchgeführt wurden, zum Einschreiten der Exekutive geführt haben soll. Vor Ort soll sich eine Dame befunden haben, die eigenen Angaben nach von der irischen Firma Randox Testing Services stammt. Eine Legitimation als Ärztin, die gemäß Luftsicherheitsgesetz notwendig ist, soll sie genau so wenig nachwiesen haben wie einen Auftrag der Fluggesellschaft Lauda oder einer deutschen Behörde. Letztlich soll die Polizei festgestellt haben, dass die Person, die die Testungen durchführte, sich nicht gemäß den Regularien im Sicherheitsbereich des Stuttgarter Flughafens aufgehalten haben soll. Genaue Angaben zur Amtshandlung der Exekutive wurden allerdings nicht gemacht.
Jedenfalls soll vor Ort ein erheblicher Druck auf das deutsche Lauda-Personal ausgeübt worden sein. Der Drogentest sollte mittels einer Haarprobe, die von der Dame, die eigenen Angaben nach von einem irischen Labor stammt, genommen werden, durchgeführt werden. Und das übrigens nicht während der regulären Arbeitszeit, sondern die Mitarbeiter sollen auf dem Weg zu ihren Parkplätzen „abgefangen“ worden sein und von der Base Supervisorin informiert worden sein, dass die Teilnahme an dieser Testung verpflichtend ist.
In üblicher Ryanair-Manier habe man auf die Durchführung der Drogentests bestanden und darauf verwiesen, dass wer sich querlegt automatisch als „verdächtig“ gilt und mit Konsequenzen zu rechnen habe. Die Basis Stuttgart soll am 31. Oktober 2020 geschlossen werden. Auch wurden bereits die Kündigungen der Dienstverhältnisse verteilt, jedoch fliegt man ab dieser Base unter dem Vorwand der angeblich geringen Nachfrage nur an den Verkehrstagen Freitag, Samstag, Sonntag und Montag.
Dies hat auch zur Folge, dass derzeit offensichtlich ein großer Personalüberhang besteht, da der momentane Flugplan auch mit deutlich weniger Piloten und Flugbegleitern zu bewerkstelligen wäre. Dementsprechend wäre es spekulativ durchaus möglich, dass die Ryanair Group auf der Suche nach Verfehlungen von Mitarbeitern ist, um das eine oder andere Dienstverhältnis vorzeitig mittels fristloser Kündigung auflösen zu können. Zumindest soll es angeblich in diese Richtung Druck geben und in der Vergangenheit führten bloße „Verdachtsfälle“ bei Ryanair häufiger zu fristlosen Entlassungen. In arbeitsgerichtlichen Verfahren unterlag der irische Billigflieger jedoch meist.
Auffällig ist jedoch auch das Verhalten der europäischen Aufsichtsbehörden, denn dem Vernehmen nach sollen sich sicherheitsrelevante Hinweise über angebliche Verfehlungen, die insbesondere durch enormen Druck auf das Personal entstehen, durchaus häufen. Zu einem Einschreiten der Behörden kommt es in den seltensten Fällen. In Österreich führte die Austro Control zwar eine so genannte Just-Culture-Prüfung durch, jedoch schwieg man sich über die Ergebnisse herzlich aus.
Apropos Schweigen: Weder Ryanair noch Lauda wollten zum Stuttgart-Vorfall in irgendeiner Art und Weise Stellung beziehen. Dies ist jedoch nicht ungewöhnlich, denn traditionell zieht es der Konzern vor bei unangenehmen Themen zu schweigen.
Vergangene Woche gab sich Lauda-Geschäftsführer zur Zukunft der Ryanair Group in Stuttgart noch gesprächiger und sagte damals, dass die profitablen Routen von anderen Bases der Ryanair Group, beispielsweise von Malta Air oder Ryanair, bedient werden könnten. Somit könnte der Konzern am Stuttgarter Flughafen weiter präsent sein, jedoch nicht mehr mit der österreichischen Tochter Lauda, die ab November als Lauda Europe Ltd. unter maltesischem AOC fliegen wird.