Der deutschen Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit ist der Einsatz von angemieteten Flugzeugen samt Crews, so genanntes Wetlease, ein Dorn im Auge. Man befürchtet, dass dadurch Tarifverträge umgangen werden könnten.
Aus Sicht der Arbeitnehmervertreter habe sich der Einsatz von ACMI-Fluggerät in den letzten Jahren stark verändert. Früher hätten deutsche Fluggesellschaften nur zur Abfederung von saisonalen Spitzen oder aber beim Ausfall eigener Maschinen auf Fremddienstleistungen zurückgegriffen. Mittlerweile würde aber ein erheblicher Teil der Planungen auf Wetlease-Gerät basieren.
Beispielsweise setzt Eurowings momentan bis zu elf Airbus A320 von Avion Express Malta ein. Weiters fliegt Air Baltic mit fünf A220-300 für den Lufthansa-Ableger. Ebenso ist man mit zwei Maschinen dieses Typs für Eurowings Discover aktiv. Auf der Langstrecke setzt der Ferienflieger auch drei Airbus A350 von Finnair ein.
Condor lässt beispielsweise European Air Charter, Heston und Bulgaria Air für sich fliegen. Der Reisekonzern Tui chartet heuer in größerem Umfang bei Smartlynx, wobei darauf geachtet wird, dass unter dem Smartlynx-Code geflogen wird. Gelegentlich hilft der Carrier auch bei der Fluggesellschaft Tuifly aus.
Im Winterflugplan 2022/23 reduzieren Eurowings Discover und Eurowings den Einsatz von ACMI-Fluggerät. Beim zuerst genannten Carrier werden die Airbus A220-300 von Air Baltic nicht mehr eingesetzt. Eurowings reduziert die Anzahl der angemieteten Flugzeuge auf je zwei A220-300 von Air Baltic und zwei Boeing 737 von Tuifly.
Wachstumschancen im Bereich Wetlease sieht man übrigens auch bei Nordica. Man baut eine Flotte von bis zu 15 Airbus A320 auf. Diese will man nach Möglichkeit langfristig bei anderen Fluggesellschaften unterbringen. Generell wurden im Baltikum einige neue Anbieter gegründet, die sich explizit auf die Erbringung von ACMI- und Charterdienstleistungen spezialisiert haben.
VC kritisiert prekäre Beschäftigungsmodelle
Die Vereinigung Cockpit sieht die Entwicklung, dass Anbieter aus Osteuropa bzw. deren Malta-Ableger zunehmend Flugdienstleistungen in Deutschland erbringen, kritisch. Man befürchtet, dass die Carrier versuchen dauerhaft Kosten zu sparen. Dabei steht auch der Vorwurf im Raum, dass bestehende Tarifverträge umgangen werden könnten und eventuell gar Lohn- und Sozialdumping vorliegen könnte. Selbstredend: ACMI-Anbieter aus Osteuropa zahlen zumeist die Bezüge, die an der offiziellen Homebase üblich sind und nicht das Niveau, das in Deutschland anfallen würde. Dadurch kann man günstige Preise anbieten.
Stefan Herth, Präsident der Vereinigung Cockpit, erklärt hierzu: „Das derzeit immer stärkere Aufkommen von Wet-Leasing ist nichts anderes als die nächste Form von Sozialdumping. Teils etablierte Airlines nutzen Subunternehmen, entziehen sich ihrer Verantwortung für umfassendes Personalmanagement und unterstützen damit sogar Konkurrenz zu Lasten unserer Volkswirtschaft – statt sich mit den Gewerkschaften auf zukunftsfähige individuelle Lösungen für saisonale Schwankungsabdeckungen zu verständigen“.
Die VC vertritt weiters die Ansicht, dass sich einige ACMI-Anbieter auch prekären Beschäftigungsmodellen bedienen sollen. Dabei sollen angeblich Piloten nicht angestellt, sondern auf Honorarbasis beschäftigt werden. Damit steht aus der Sicht der Gewerkschaft der Vorwurf der Scheinselbstständigkeit im Raum.
„Dass einige der Wet-Lease Anbieter Pilotinnen und Piloten in die Scheinselbstständigkeit drängen oder über „Agenturen“ zweifelhafte Arbeitnehmerüberlassung praktizieren, wird sogar von etablierten Unternehmen billigend in Kauf genommen. Damit muss Schluss sein. Wir werden von nun an alles daran setzen, diese dubiosen Formen des Wet-Leasings trockenzulegen!“, so Herth.
Die Vereinigung Cockpit hat im vergangenen Jahr umfangreiche Daten über Beschäftigungsmodelle und Flugbewegungen gesammelt sowie ausgewertet und ist nun in der Lage, diese an die zuständigen Behörden zu übergeben.
„Wie schon bei dem Kampf gegen die insbesondere über Irland praktizierte direkte Scheinselbstständigkeit im Luftverkehr sind nun die Behörden gefragt, mit breiten Kontrollen Scheinselbstständigkeit und illegale Arbeitnehmerüberlassung bei Subunternehmen und Wet-Leasing Anbietern zu kontrollieren und diesen fragwürdigen Machenschaften ein Ende zu setzen,“ so Stefan Herth abschließend.