Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass im Winterflugplan 2023/24 einige Strecken ab Deutschland, die bislang von Condor als eigene Flüge vermarktet würden, an die Konzernschwester Marabu übergeben werden sollen. Dies löste durchaus entrüstete Reaktionen betroffener Passagiere aus.
Da Marabu Airlines über kein eigenes Reservierungssystem verfügt, sondern auf die Konzernschwester Condor, die als so genannter General-Sales-Agent fungiert, erreichten die Aviation.Direct-Redaktion in den letzten Tagen enorm viele E-Mails, in denen sich Kunden der deutschen Ferienfluggesellschaft darüber beschweren, dass sie explizit und bewusst bei Condor gebucht hätten und nun per E-Mail damit konfrontiert wurden, dass sie nicht mit der eigentlich gebuchten Airline, sondern mit der estnischen Marabu auf die Kanaren fliegen sollen. Diese lässt ab Stuttgart die Flüge von der bulgarischen European Air Charter durchführen.
Die Vorwürfe der betroffenen Passagiere wiegen auf den ersten Blick durchaus schwer, denn so schreibt ein Betroffener, dass man für viel Geld deutsche Qualität bei einer deutschen Airline gebucht hätte und nun ohne gefragt zu werden „etwas minderwertiges, altes aus Osteuropa“ bekommen würde. Wenn er mit seiner Familie mit einem „gammeligen Billigflieger hätte fliegen wollen, dann wäre die Konkurrenz auch noch billiger gewesen“.
Weiters beklagen sich zahlreiche Condor-Kunden, dass ihre bereits bezahlten Zusatzleistungen wie Gepäckstücke, Sitzplatzreservierung oder die Beförderung von Hunden seitens Condor annulliert worden wären und man müsse diese „bei Marabu neu dazubuchen“. Allerdings ist das Servicecenter des deutschen Ferienfliegers dazu gar nicht in der Lage und meint, so die Betroffenen, dass man es kurz vor der Abreise nochmals versuchen sollte.
Kostenfreier Vertragsrücktritt nicht in jedem Fall möglich
Rechtlich gesehen ist der Umstand, dass Condor Umbuchungen auf die Konzernschwester Marabu Airlines vornimmt, für die Passagiere gar nicht so einfach. Es wurde zwar mit Condor ein Beförderungsvertrag von A nach B abgeschlossen, jedoch ist die Airline nicht verpflichtet diese Dienstleistung auch tatsächlich selbst zu erbringen. Jederzeit kann diese einen Subunternehmer mit der tatsächlichen Durchführung beauftragen, bleibt jedoch der Vertragspartner der Reisenden. In den Allgemeinen Beförderungsbedingungen gibt es zu diesem Thema eine durchaus umfangreiche Klausel.
Auch die Fluggastrechteverordnung sieht vor, dass Airlines für Ersatzbeförderungen sorgen müssen, wenn diese den Beförderungsvertrag – aus welchen Gründen auch immer – nicht selbst erfüllen können. Die weitbekannte 14-Tage-Frist ist dabei lediglich für eventuelle Ausgleichsleistungen relevant, nicht jedoch für das Recht auf Ersatzbeförderung. Genau genommen sind die Umbuchungen, die Condor auf Marabu Airlines vornimmt, nämlich Ersatzbeföderungen.
Die Frage, ob es sich um eine so wesentliche einseitige Vertragsänderung handelt, die zum kostenfreien Rücktritt bei voller Erstattung berechtigt, ist nicht so einfach so beantworten. Es kommt auf den konkreten Einzelfall an, denn beispielsweise könnte man sicherlich zurücktreten, wenn man bei Condor ein Business-Class-Ticket erworben hat, jedoch auf die Marabu-Economy-Class umgebucht wird. Dies wäre eine erhebliche Vertragsänderung, die Betroffene sicherlich nicht hinnehmen müssen. Auch könnten deutliche Änderungen der Flugzeiten eine Möglichkeit für einen eventuellen Vertragsrücktritt sein. Es kommt jedoch immer auf den Einzelfall an, so dass man sich gegebenenfalls bei Beratungsstellen des Verbraucherschutzes und/oder bei einem Rechtsanwalt Rat einholen sollte, sofern man mit der Umbuchung auf Marabu Airlines nicht einverstanden sein sollte.
„Wegen Kapazitätsengpässen greift Condor auf Marabu zurück“
Der Fluggesellschaft Condor wurden einige Vorwürfe, die von deren Kunden erhoben wurden, in zusammengefasster und anonymisierter Form übermittelt und gleichzeitig einige Fragen gestellt. Darauf welche Rolle Condor bei Marabu genau spielt, antwortete eine Sprecherin wie folgt: „Marabu gehört zum Unternehmen Attestor. Zur Gründung von Marabu setzte Attestor von Beginn an auf zwei Partner: Auf der operativen Seite handelt es sich dabei um die Nordica Aviation Group, auf der kommerziellen Seite wurde Condor, deren Mehrheitseigentümer ebenfalls Attestor ist, als Schwester-Fluggesellschaft mit dem Vertrieb als General Sales Agent beauftragt. Somit vertreibt Condor über die eigenen, bereits erfolgreich implementierten Vertriebsstrukturen Flüge von Marabu in deren Auftrag. Dies ist ein marktübliches Vorgehen bei vielen Fluggesellschaften“.
Die Umstellung der betroffenen Flüge von Condor auf Marabu erklärt die Medienreferentin gegenüber Aviation.Direct so: „Aufgrund von Kapazitätsengpässen, die durch den Flottenrollover bei Condor entstehen, greift Condor im Winterflugplan 2023/24, der im November beginnt, auf Marabu-Kapazität zurück, um trotz der zeitlich ambitionierten Erneuerung der gesamten Flotte einen stabilen Flugplan anzubieten. Nach dem Austausch der gesamten Langstreckenflotte bis Anfang 2024 soll direkt im Anschluss auch die Kurz- und Mittelstreckenflotte modernisiert werden. Ein Flottenrollover dieser Größe und in dieser kurzen Zeit verlangt der Condor-Organisation am Boden und in der Luft alles ab, insbesondere bei der Umschulung des gesamten fliegenden Personals auf die neuen Flugzeuge“.
Auf die Frage warum die Flüge zunächst als Condor-Verbindungen verkauft wurden, jedoch zu einem späteren Zeitpunkt auf die Konzernschwester Marabu Airlines umgestellt wurden, beantwortet das Unternehmen so: „Die Veröffentlichung des Winterflugplans von Marabu hatte sich aufgrund der Anlaufschwierigkeiten der Airline zu Beginn des Sommers verzögert. Als General Sales Agent für unsere Schwesterfluggesellschaft haben wir operationelle Perfomance von Marabu der letzten Monate natürlich verfolgt und auch proaktiv beim Umsetzen von Lösungsansätzen beispielsweise im Rahmen der ins Leben gerufenen Task Force bei Marabu unterstützt, um die Pünktlichkeit und Stabilität nachhaltig zu verbessern. Diese Maßnahmen tragen mittlerweile Früchte und wir sind davon überzeugt, dass der Fokus, den Axel Schefe als CEO auch in den nächsten Wochen auf die operative Perfomance von Marabu setzen wird, zur weiteren Verbesserung der Flugplanstabilität beitragen wird. Das ist insbesondere im Hinblick auf die Herbstferien, aber natürlich auch auf den Winter wichtig“.
Angesprochen auf die Problematik bezüglich Zusatzleistungen erklärt die Condor-Sprecherin: „Aufgrund der signifikanten Verbesserung in der Pünktlichkeit und der absehbar kontinuierlichen Stabilität im Flugplan, konnte nun auch festgesetzt werden, auf welche Marabu-Kapazitäten Condor genau im Winterflugplan verlässlich zurückgreifen wird. Diese Entscheidung wurde später als üblich getroffen, um zuverlässig sicherzustellen, dass Reisende keine weitere Flugplanänderung erhalten müssen. Reisende werden dieser Tage proaktiv von Condor darüber informiert, dass ihr Flug von Marabu durchgeführt wird. Hierfür sind feste Prozesse in den Systemen hinterlegt. Aufgrund eines systemischen Fehlers kam es bei einigen Buchungen jedoch zu einem Fehler bei etwaig gebuchten Sonderleistungen. Deshalb kann es vorkommen, dass Kunden zunächst über den Einsatz von Marabu und anschließend über die Sonderleistung, wie beispielsweise die Sitzplatzreservierung, informiert werden, die für den Flug mit Marabu einfach übertragen wird, sofern Marabu sie anbietet. Sollte dies nicht der Fall sein, wie zum Beispiel beim Transport von Tieren, erhalten Reisende automatisch ihr Geld zurückerstattet. Möchten Reisende ihren Flug komplett stornieren, so ist dies kostenfrei möglich. Gäste können sich bei allen Belangen hinsichtlich der Buchung an die Condor-Kundenbetreuung wenden“.
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