Fernbusse in Deutschland: Einst Kraftpost-Monopol, heute Flixbus-Defacto-Monopol

Kraftpost-Bus im Jahr 1909 (Foto: gemeinfrei).
Kraftpost-Bus im Jahr 1909 (Foto: gemeinfrei).

Fernbusse in Deutschland: Einst Kraftpost-Monopol, heute Flixbus-Defacto-Monopol

Kraftpost-Bus im Jahr 1909 (Foto: gemeinfrei).
Werbung

Der Fernbusverkehr in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten eine bemerkenswerte Transformation durchlebt, die von einer langen Geschichte, Regulierungen und letztendlich der Dominanz eines einzigen Anbieters geprägt wurde. Um diese Entwicklung zu verstehen ist auch ein Blick auf die Anfänge des Fernbusverkehrs in Deutschland, die einstigen Kraftpostlinien, und verfolgen die Liberalisierung bis zur Entstehung eines faktischen Monopols, zu werfen.

Mittlerweile sind Fernbusse in Deutschland nicht mehr wegzudenken. Sie gelten als preiswerte Alternative zur häufig als hochpreisig und unpünktlich empfunden Bahn. Unmittelbar nach der Liberalisierung sahen verschiedene Unternehmer, darunter auch „große Fische“, das große Geld. Selbst die Deutsche Post versuchte ihr Comeback in der Personenbeförderung. Letztlich entwickelte sich aber ein defacto-Monopol der Firma Flixbus.

Die Wurzeln des Fernbusverkehrs: Die Kraftpostlinien

Der Fernbusverkehr in Deutschland hat historische Wurzeln, die bis in die Zeit der Weimarer Republik zurückreichen. In den 1920er und 1930er Jahren entwickelte sich ein dichtes Netz von Kraftpostlinien, die nicht nur Städte, sondern auch abgelegene Regionen miteinander verbanden. Diese Linien wurden von der Reichspost betrieben und nutzten bereits damals ein Straßennetz, das auch über Reichsautobahnen und Bundesautobahnen führte. Die Kraftpostlinien waren ein wichtiger Bestandteil des öffentlichen Personentransports in Deutschland.

Anzumerken ist auch, dass bei der Errichtung der Reichsautobahnen die Fernbuslinien der Kraftpost berücksichtigt wurden bzw. neu aufgenommen wurden. Auf zahlreichen Strecken gab es direkt auf den Autobahnen Haltestellen. Dies ist heute aus Sicherheitsgründen unvorstellbar, doch damals war das Verkehrsaufkommen nicht nennenswert und etwaige Einzäunungen bzw. Leitplanken existierten gar nicht. Zu den Kraftpost-Haltestellen auf den Reichsautobahnen führten kleine Wege, die zumeist zu Fuß absolviert wurden.

Die Kraftpost-Fernbuslinien hatten zunächst eine hohe Bedeutung, denn viele Orte waren auf dem Schienenweg nicht bzw. nur mit erheblich längerem Zeitaufwand erreichbar. Dazu kommt der Umstand, dass das NS-Regime die Reichsautobahnen GmbH organisatorisch der Deutschen Reichsbahn unterstellt hat. Somit war die Bahn indirekt auch für die Verwaltung der hochrangigen Verkehrsstraßen verantwortlich und daher war es naheliegend, dass auch eine Personenbeförderung eingerichtet wird. Aufgrund der damaligen gesetzlichen Situation oblag die gewerbliche Beförderung von Fahrgästen mit Autobussen, die nicht parallel zu Bahnstrecken erfolgt, nicht der Reichsbahn, sondern der Reichspost und diese bezeichnete ihre Busse damals als Kraftpost.

Die Einstellung der Kraftpostlinien und der Schutz der Deutschen Bahn

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden viele dieser Kraftpostlinien eingestellt. Eine wichtige historische Tatsache war die Teilung Deutschlands und die Entstehung von West-Berlin. Um West-Berlin mit dem Rest der Bundesrepublik zu verbinden, wurden Fernbuslinien eingerichtet, die jedoch nur eingeschränkt nationale Verbindungen anbieten konnten. Dies war eine Maßnahme zum Schutz der Deutschen Bahn, die als staatliches Unternehmen eine Monopolstellung innehatte.

Die Gründe für die Einstellung der Kraftpost-Fernlinien lagen nicht ausschließlich im Schutz der Deutschen Bahn. Die Deutsche Bundespost hatte gar kein Interesse daran dieses Geschäftsfeld aufzugeben, denn im ÖPNV war man weiterhin aktiv. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Verkehre wirtschaftlich untragbar geworden sind, denn aufgrund des Umstands, dass die Politik die Motorisierung der Bevölkerung forcierte, galt es als Ausdruck von Armut, wenn man öffentliche Verkehrsmittel nutzte. Mangels Nachfrage waren die Kraftpost-Linien nicht mehr tragbar und wurden sukzessive eingestellt. Damit sind auch die letzten Bushaltestellen, die noch unter NS-Regime auf den nunmehrigen Bundesautobahnen errichtet wurden, abgebaut. Dies wäre auch unabhängig davon früher oder später schon allein aus Sicherheitsgründen erfolgt. Gegen Ende der Kraftpost-Schnellverbindungen wurden diese noch kurzzeitig als “Postreisedienst” bezeichnet.

Ein Sonderfall war West-Berlin. Mangels Schienenverbindungen wurden an verschiedene Privatunternehmen sowie Tochtergesellschaften der Deutschen Bundesbahn Konzessionen für Fernbuslinien vergeben. So wurde West-Berlin mit zahlreichen Städten in der Bundesrepublik Deutschland verbunden. Dies war auch aufgrund des Umstands, dass der Bahnverkehr über das Staatsgebiet der DDR komplizierter war als der Busverkehr, über viele Jahre hinweg das übliche Verkehrsmittel. Daraus entwickelte sich die Marke „Berlin Linien Bus“, die seitens der Deutsche Bahn AG vor wenigen Jahren endgültig eingestellt wurde, da sich im freien Wettbewerb der Konkurrent Flixbus durchgesetzt hatte. Ein vergleichbares Schicksal hat übrigens auch der einst führende internationale Fernbusanbieter (Verbund) Eurolines, denn mittlerweile ist dieser nur noch ein Schatten seiner selbst und die meisten Mitglieder fahren jetzt unter der Marke Flixbus oder existieren gar nicht mehr.

Wohl gab es auch innerdeutsche Flugverbindungen nach West-Berlin, jedoch waren diese gegenüber den Bussen wesentlich teurer. Die Besonderheit war, dass aufgrund des Viermächtestatus nicht die Lufthansa oder andere Anbieter mit deutschen AOC fliegen durften, sondern nur jene der Siegermächte. Gleich mehrere U.S.-amerikanische, französische und britische Airlines hatten in Deutschland Flugzeuge für den Berlin-Verkehr stationiert. Diese Regelung galt für die innerstädtischen Airports Tegel und Tempelhof, da diese sich im Stadtgebiet von West-Berlin befunden haben. Für Schönefeld bestanden diese Beschränkungen nicht, da sich der DDR-Hauptstadtflughafen außerhalb der Stadtgrenzen von Berlin befunden hat.

Die Liberalisierung des Fernbusverkehrs und die ersten Anbieter

Die eigentliche Liberalisierung des Fernbusverkehrs in Deutschland begann erst in den 2010er Jahren. Im Jahr 2013 wurde das Personenbeförderungsgesetz geändert, um den Marktzugang für private Busunternehmen zu erleichtern. Dies markierte den Beginn eines neuen Zeitalters für den deutschen Fernbusverkehr.

Unmittelbar nach der Liberalisierung traten verschiedene Anbieter auf den Markt. Zu den Pionieren gehörten Unternehmen wie MeinFernbus und Postbus. Bald darauf trat ein weiterer Name auf die Bühne, der die deutsche Fernbuslandschaft für immer verändern sollte: Flixbus. Die Marke Flixbus warb mit günstigen Preisen und einem breiten Streckennetz und eroberte rasch Marktanteile.

Die Dominanz von Flixbus

Flixbus konnte seine Dominanz auf dem deutschen Fernbusmarkt weiter ausbauen, indem es mehrere andere Anbieter übernahm oder in Partnerschaften integrierte. Dies führte zu einem faktischen Monopol von Flixbus, da das Unternehmen einen Großteil der Fernbusverbindungen in Deutschland kontrollierte. Dieses Monopol wurde durch die sichtbare grüne Flixbusflotte auf deutschen Autobahnen symbolisiert.

Auch große Konzerne wie National Express, die Österreichischen Bundesbahnen, der ADAC, die Deutsche Post, die Deutsche Bahn und viele weitere, die sich versucht hatten, haben entweder aufgegeben oder verkauften ihr Fernbusgeschäft an den Konkurrenten Flixbus.

Nennenswerte Konkurrenten sind der französische BlablaCar-Bus, der tschechische Anbieter Regiojet sowie die letzten verbliebenen internationalen Eurolines-Strecken. Letztere wurden bedingt durch den Umstand, dass die ehemalige Bahn-Tochter Deutsche Touring, die mittlerweile kroatische Eigentümer hat, zu Flixbus gewechselt ist, abermals in ihrer Anzahl dezimiert.

Wie schwierig es ist in Konkurrenz zu Flixbus neue Fernbusangebote erfolgreich auf die Beine zu stellen, zeigen die Beispiele Roadjet und Pinkbus. Beiden Unternehmen ist es nicht gelungen wirtschaftlich in Konkurrenz zur FlixMobility zu fahren und mittlerweile mussten die Linienstrecken eingestellt werden. Interessanterweise suchen beide Anbieter nun ihr Glück im Chartergeschäft, das ohnehin unter scharfer Konkurrenz steht und Flixbus auch hier in der Vermittlung sehr stark ist.

Die Situation in Österreich und der Schweiz

In Österreich und der Schweiz konnte sich der Fernbusmarkt im Inlandsverkehr bisher nicht in dem Maße entwickeln wie in Deutschland. Dies liegt teilweise an den gut etablierten und vernetzten Eisenbahnsystemen in beiden Ländern, die eine starke Konkurrenz darstellen. Zudem wurden die Märkte nicht in gleicher Weise liberalisiert wie in Deutschland, was die Entstehung eines florierenden Fernbusmarktes behindert hat.

Ein anderer Grund dafür ist, dass sowohl in der Schweiz als auch in Österreich die gesetzliche Situation komplizierte Genehmigungsverfahren für neue Fernbusstrecken vorsieht. In diese sind auch Platzhirsche wie ÖBB bzw. SBB sowie Postbus bzw. Postauto eingebunden und haben eine Art Mitspracherecht.

Die Einführung des Klimatickets in Österreich und der Umstand, dass die nationalen Fernbuslinien, die von Blaguss Reisen und Dr. Richard unter der Marke Flixbus angeboten werden, vom Verkehrsministerium von der Netzkarte ausgeschlossen wurden, hat seine Auswirkungen gezeigt. Blaguss musste aus wirtschaftlichen Gründen die Inlandsstrecken von Wien nach Klagenfurt sowie von Graz nach Salzburg und Linz aufgeben. Die Fahrgastzahlen und damit die Einnahmen sind eingebrochen. Dr. Richard bedient Wien-Graz sowie Graz-Flughafen Wien weiterhin. Die zuletzt genannte Strecke gilt als wichtiger Zubringer der Steiermark und des Südburgenlands zum größten Airport Österreichs.

Eine Besonderheit stellt die Fernbuslinie zwischen Graz und Klagenfurt dar. Diese wird von der Österreichischen Postbus AG bedient, wobei der ÖBB-Schienentarif zur Anwendung kommt. Formell handelt es sich um einen dauerhaften Schienenersatzverkehr, weshalb auch das Klimaticket gilt. Die Eröffnung des Koralmtunnels wird aber zur Folge haben, dass diese Verbindung mit hoher Wahrscheinlichkeit der Geschichte angehören wird.

Fernbusse brachten deutschen Öffi-Markt in Bewegung

Der deutsche Fernbusverkehr hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die von den einstigen Kraftpostlinien über den Schutz der Deutschen Bahn bis zur Liberalisierung und der Dominanz von Flixbus reicht. Trotz des faktischen Monopols von Flixbus gibt es nach wie vor eine gewisse Vielfalt auf dem Markt, und die Zukunft dieses Verkehrssektors bleibt spannend, insbesondere vor dem Hintergrund wachsender Nachhaltigkeitsanforderungen und Veränderungen in der Mobilität.

In Österreich und der Schweiz hingegen stehen die Chancen für einen Fernbus-Boom im Inlandsverkehr vorerst eher schlecht, da die traditionellen Verkehrsmittel weiterhin dominieren und die Liberalisierung bislang ausblieb. Dies ist in erster Linie eine politische Entscheidung. In Österreich kommt dazu, dass die amtierende Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) die Nachtzugverbindungen forciert und mit Millionenbeträgen subventioniert. Auf den Bus- und Flugverkehr legt man hingegen nicht nur keinen Wert, sondern legt diesem auch „Steine“ in den Weg. Bei den Fernbussen eben dadurch, in dem man unter dem Vorwand, dass es Alternativen auf dem Schienenweg geben würde, diese vom Klimaticket ausschließt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Redakteur dieses Artikels:

[ssba-buttons]

Paywalls mag niemand
– auch Aviation.Direct nicht!

Informationen sollten frei für alle sein, doch guter Journalismus kostet viel Geld.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie Aviation.Direct freiwillig auf eine Tasse Kaffee Kaffee einladen.

Damit unterstützen Sie die journalistische Arbeit unseres unabhängigen Fachportals für Luftfahrt, Reisen und Touristik mit Schwerpunkt D-A-CH-Region und zwar freiwillig ohne Paywall-Zwang.

Wenn Ihnen der Artikel nicht gefallen hat, so freuen wir uns auf Ihre konstruktive Kritik und/oder Ihre Verbesserungsvorschläge wahlweise direkt an den Redakteur oder an das Team unter unter diesem Link oder alternativ über die Kommentare.

Ihr
Aviation.Direct-Team
Paywalls
mag niemand!

Über den Redakteur

[ssba-buttons]

Paywalls mag niemand
– auch Aviation.Direct nicht!

Informationen sollten frei für alle sein, doch guter Journalismus kostet viel Geld.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie Aviation.Direct freiwillig auf eine Tasse Kaffee Kaffee einladen.

Damit unterstützen Sie die journalistische Arbeit unseres unabhängigen Fachportals für Luftfahrt, Reisen und Touristik mit Schwerpunkt D-A-CH-Region und zwar freiwillig ohne Paywall-Zwang.

Wenn Ihnen der Artikel nicht gefallen hat, so freuen wir uns auf Ihre konstruktive Kritik und/oder Ihre Verbesserungsvorschläge wahlweise direkt an den Redakteur oder an das Team unter unter diesem Link oder alternativ über die Kommentare.

Ihr
Aviation.Direct-Team
Paywalls
mag niemand!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Werbung