Die Übernahme von ITA Airways durch die Lufthansa steht kurz vor einer entscheidenden Wendung. Lufthansa-Chef Carsten Spohr erwartet noch in dieser Woche ein Signal aus Brüssel, das den Weg für die Übernahme frei machen könnte. Am Rande der IATA-Jahrestagung in Dubai äußerte Spohr, dass eine Einigung mit der EU-Kommission „realistisch“ sei.
Seit Monaten verhandelt Lufthansa mit der EU-Kommission über die Übernahme der italienischen Fluggesellschaft ITA Airways. Ziel ist es, 41 Prozent an ITA Airways zu übernehmen und das Eigenkapital der Airline um 325 Millionen Euro aufzustocken. Langfristig plant Lufthansa, den Anteil auf 100 Prozent zu erhöhen. Die Gespräche befanden sich zuletzt auf einem guten Weg, nachdem sich Spohr persönlich mit der zuständigen EU-Kommissarin Margrethe Vestager getroffen hatte.
Hintergrund und aktuelle Entwicklungen
Die EU-Wettbewerbsbehörde zeigte sich zunächst besorgt über den geplanten Deal. Im Mittelpunkt der Bedenken steht die mögliche Preissetzungsmacht des Lufthansa-Konzerns im Interkontinentalverkehr zwischen Italien und den USA. Vestager erklärte gegenüber der italienischen Tageszeitung „Corriere Della Sera“: „Meine Verantwortung in diesem Prozess besteht darin, dass der Verbraucher am Ende des Tages immer noch Auswahl und erschwingliche Tarife hat.“ Sie betonte, dass dies auf einigen Märkten infolge des ITA-Lufthansa-Deals möglicherweise nicht mehr gewährleistet sei.
Ein besonders strittiger Punkt in den Verhandlungen war, ob ITA Airways in das bestehende Transatlantik-Joint-Venture zwischen Lufthansa, United Airlines und Air Canada integriert werden darf. Dieses Joint-Venture ermöglicht es den beteiligten Fluggesellschaften, ihre Kapazitäten und Einnahmen auf den transatlantischen Strecken zu teilen und so eine dominante Marktposition zu erlangen.
Verpflichtungspaket als Lösung
Um die Bedenken der EU-Kommission zu zerstreuen, hat Lufthansa ein Verpflichtungspaket geschnürt. Die Details dieses Pakets sind noch nicht öffentlich bekannt, jedoch dürfte es Maßnahmen enthalten, die den Wettbewerb sichern und Monopolstellungen vermeiden sollen. Möglich wären beispielsweise die Abgabe von Slots an Flughäfen, um anderen Fluggesellschaften den Zugang zu erleichtern, oder Preisgarantien für bestimmte Strecken.
Spohr zeigte sich optimistisch, dass diese Zugeständnisse ausreichen könnten, um die Genehmigung der EU-Kommission zu erhalten. Sollte dies der Fall sein, wäre dies ein bedeutender Schritt für die Lufthansa, die damit ihre Position in Europa weiter stärken würde.
Marktauswirkungen und Zukunftsperspektiven
Die Übernahme von ITA Airways durch Lufthansa würde nicht nur den europäischen Luftverkehrsmarkt verändern, sondern auch erhebliche Auswirkungen auf den Wettbewerb und die Preisstruktur haben. Für die italienische Fluggesellschaft ITA Airways, die aus der insolventen Alitalia hervorgegangen ist, könnte die Integration in den Lufthansa-Konzern langfristige Stabilität und Wachstumsmöglichkeiten bedeuten.
Die europäischen Wettbewerbsbehörden haben in der Vergangenheit immer wieder betont, wie wichtig ein ausgewogener Wettbewerb im Luftverkehr ist. Große Fusionen und Übernahmen werden daher sorgfältig geprüft, um sicherzustellen, dass die Interessen der Verbraucher gewahrt bleiben und keine marktbeherrschenden Stellungen entstehen.
Sollte die EU-Kommission dem Deal zustimmen, könnte dies Signalwirkung für weitere Konsolidierungen im europäischen Luftverkehrsmarkt haben. Bereits in der Vergangenheit hat Lufthansa durch strategische Übernahmen, wie etwa der von Swiss International Air Lines, Austrian Airlines und Brussels Airlines, ihre Marktposition erheblich ausgebaut. Die Integration von ITA Airways würde diesen Kurs fortsetzen.
Die kommenden Tage werden entscheidend sein. Ein positiver Fingerzeig aus Brüssel könnte den Weg für den Abschluss des Deals und eine neue Ära für ITA Airways ebnen. Gleichzeitig wird es darauf ankommen, wie die Wettbewerbshüter die vorgeschlagenen Maßnahmen bewerten und welche zusätzlichen Bedingungen sie möglicherweise noch fordern.
Letztlich wird sich zeigen, ob Lufthansa und die EU-Kommission eine Lösung finden, die sowohl den Marktanforderungen als auch den Interessen der Verbraucher gerecht wird. Die gesamte Luftfahrtbranche blickt gespannt auf die bevorstehenden Entscheidungen, die richtungsweisend für die zukünftige Struktur des europäischen Luftverkehrsmarktes sein könnten.