Kurz will europaweiten “Privilegienpass” für Geimpfte

Sebastian Kurz (Foto: BKA/Dragan Tatic).
Sebastian Kurz (Foto: BKA/Dragan Tatic).

Kurz will europaweiten “Privilegienpass” für Geimpfte

Sebastian Kurz (Foto: BKA/Dragan Tatic).
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Ungeachtet des Umstands, dass in der Europäischen Union die Impfungen gegen Covid-19 nur im Schneckentempo vorankommen, drängt nun der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf einen „Privilegienpass für Geimpfte“. Diesen will er auf EU-Ebene durchsetzen und falls das nicht gelingt eben nur in Österreich einführen.

Kurz macht keinen Hehl daraus, dass Israel das Vorbild ist. Der „Impfweltmeister“ gewährt Genesenen und Geimpften einen so genannten „Green Pass“, der als Türöffner für so ziemlich alles dient. Noch vor wenigen Wochen hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) kategorisch ausgeschlossen, dass Personen, die gegen Covid-19 immunisiert wurden, irgendwelche Erleichterungen erhalten sollen.

Pensionisten und Touristik machen Druck

Doch die Regierung ist von verschiedenen Seiten her massivem Druck ausgesetzt. Das ist beispielsweise die heimische Tourismusbranche, die darauf drängt, dass Gäste möglichst unkompliziert empfangen werden können. Aufgrund der verkorksten Corona-Politik geht es bei vielen Betrieben nur noch ums nackte Überleben.

Eine weitere Gruppe, die darauf drängt, sind jene Personen, denen besondere Privilegien von Form von Impfungen zugekommen sind. In erster Linie sind das Pensionisten, die auch schon an den nächsten Urlaub am Stand denken, denn mit der Impfung ist das Thema Corona ja erledigt. In dieser Altersgruppe befindet sich auch eine wichtige Kernwählergruppe der ÖVP, die Sebastian Kurz durchaus im Auge hat, denn die Wahlbeteiligung ist bei älteren Menschen traditionell sehr hoch und mit dieser will man er es sich nicht verscherzen.

Druck kommt aber auch von Fluggesellschaften und anderen Verkehrsfirmen, denn diese wollen möglichst rasch wieder viele Passagiere befördern. In diesem Zusammenhang gilt es auch darauf zu verweisen, dass an Flughäfen und bei Austrian Airlines tausende Mitarbeiter in Kurzarbeit sind und dem Staat Monat für Monat Kosten verursachen, die bei erfolgreichem Wiederanlaufen der Branche eben nicht mehr da sind.

Impfkarte einer Biontech/Pfizer-Impfung (Foto: Robert Spohr).

Sebastian Kurz, der vor wenigen Wochen seinem Gesundheitsminister Anschober in Sachen Flugverbote vor den Bug fuhr und diese als „unwirksam“ bezeichnete, jedoch zugelassen hat, dass diese gleich mehrfach verlängert wurden, will mit dem „Grünen Pass“ die Reisefreiheit in Europa reaktivieren. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass Sebastian Kurz und sein Parteikollege und Innenminister Nehammer die treibenden Kräfte hinter den absurden Einreisebestimmungen Österreichs sind. Anschober soll lediglich für die Ausarbeitung des zum Teil widersprüchlichen Textes und die Unterschrift zuständig gewesen sein.

Kurz sagte am Dienstag: „Wir brauchen innerhalb der Europäischen Union die Reisefreiheit wieder zurück. Dazu braucht es einen Grünen Pass für jeden, der geimpft ist oder gerade Corona hatte und dadurch immun ist oder einen neuen Test gemacht hat“. Diesen „Green Pass“, den sich der österreichische Regierungschef in Israel „abgeschaut“ hat, brauche man, um „ordentlich durch den Sommer zu kommen“.

Der österreichische Kanzler erwartet sich, dass auf EU-Ebene eine einheitliche Lösung in Form einer Handy-App umgesetzt wird. Auch hier verweist er wieder auf Israel, denn dieser Staat hat es weitgehend genauso gelöst. Kurz ist der Ansicht, dass dies „leicht umsetzbar“ ist. Wie genau es funktionieren soll, sagte der Bundeskanzler selbstverständlich nicht.

Deutsche CDU-CSU-Clique steht auf der Bremse

Wohl aber meinte Kurz, dass er sich mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu entsprechend ausgetauscht hat. Einige EU-Regierungschefs würden sein Vorhaben unterstützen und es gelte nun die Bedenken von anderen Ländern zu brechen. In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass vom Tourismus abhängige Länder wie Malta, Italien, Spanien, Portugal, Kroatien, Bulgarien und andere massiv auf eine einheitliche Lösung für möglichst freies Reisen drängen. Als Bremse erweist sich – allen voran – Deutschland, in Personen Angela Merkel (CDU), Jens Spahn (CDU) und Markus Söder (CSU), wobei der zuletzt genannte Politiker gar nicht der deutschen Bundesregierung angehört. Auch Frankreich tritt – wohl auf Druck Deutschlands – ganz ordentlich auf das Bremspedal.

Dementsprechend ist es nicht verwunderlich, dass Parteikollegin Ursula von der Leyen (CSU), die der EU-Kommission vorsteht, der gesamten Thematik keine sonderlich hohe Priorität einräumt. Man will sich ja nicht gegen die Parteilinie stellen, auch wenn die von ihr geleitete Behörde maßgeblich für das Impfchaos in Europa verantwortlich ist. Doch kürzlich gab es auch Knatsch: Söder wollte die Grenze zu Tirol fast undurchlässig machen und erst eine Intervention bei Horst Seehofer (CSU) und Angela Merkel soll zumindest für „unerlässliche Pendler“ Erleichterungen gebracht haben.

Kurz rechnet mit „Normalität im Sommer“

Im Hinblick darauf, dass auch in Österreich die Impfungen schleppend voranschreiten und die normale Bevölkerung keinen blanken Schimmer hat, ob vor einem möglichen Sommerurlaub eine Impfung möglich ist oder nicht, erscheint es fast verwunderlich, dass Sebastian Kurz die Rückkehr zur Normalität bis Sommer für „absolut realistisch“ hält. Er sagte dazu weiters: „Wir wollen alle so schnell wie möglich unser normales Leben wieder zurück. Wir wollen die Freiheit zurück, innerhalb Europas zu reisen – ganz gleich, ob geschäftlich oder privat –, und wir wollen vor allem die Möglichkeit, in Kulturveranstaltungen, Gastronomie und Hotellerie hineingehen zu können und das auch genießen zu können.“

Österreichs Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Foto: BKA / Regina Aigner).

Wie widersprüchlich sich die Mitglieder der Regierung äußern, zeigte sich am Mittwoch abermals: Anschober meinte, dass eine Ungleichbehandlung durch Impfpässe wie in Israel eine „hochpolitische, ethische Frage ist, die eine spannende Diskussion ist“. Man müsse darüber diskutieren, ob man Impfungen als „Türöffner für eine Ungleichbehandlung“ verwenden könne. Er fügte dann hinzu, dass man abwarten müsse „wie groß der Anteil der Geimpften tatsächlich ist“. Was Anschober aber nicht sagte: Warum das von ihm geleitete Ministerium überwiegend auf umstrittenen Billigimpfstoff, der von medizinischem Personal zunehmend abgelehnt wird, setzt und warum Länder wie Israel oder das Vereinigte Königreich die Impfaktion schneller und zielführender durchführen können, während es in Österreich an Impfdosen mangelt.

Rudolf Anschober, der im Herbst knapp vor der Verkündung von Lockdown Nummer Zwei noch sagte, dass es keinen Lockdown mehr geben wird und er dies für den falschen Weg hält, sagte am Mittwoch gegenüber der APA, dass sein Ministerium gerade an einer Strategie für das „Leben mit dem Virus arbeiten“ würde. Auch will man erst frühestens im April 2021 darüber entscheiden, ob Geimpfte Privilegien bekommen sollen oder nicht. Und da fiel dann wieder das schon bekannte Wort, „nach Ostern“ werde man schauen. Der Grüne sagte aber nicht in welchem Jahr.

Erste EU-Staaten schaffen Fakten

Auf EU-Ebene scheint eine Einigung schwierig zu werden. Wie erwähnt: Deutschland steht auf der Bremse und Frankreich hat sich in guter alter Tradition angeschlossen. Es wird sich nur zeigen, ob sich die übrigen Mitglieder durchsetzen können. Das Thema könnte auch neuerlich die EU vor eine Zerreißprobe stellen, denn der Unmut in der Bevölkerung über die verkorksten Impfbestellungen ist groß. In so ziemlich ganz Europa ist die Geduld der Menschen mit ständigen Lockdowns ohne Strategie konfrontiert zu sein am Ende.

Dem Vorstoß Griechenlands, dass es für Immunisierte Erleichterungen im Reiseverkehr geben soll, schließen sich immer mehr Länder an. Somit ist nicht auszuschließen, dass die deutschen Politiker diesmal den Kürzeren ziehen könnten. Skandinavische Länder schaffen im Inland bereits Fakten, denn für den Besuch von Restaurants sowie Kultur- und Sporteinrichtungen soll in Finnland, Dänemark und Schweden künftig ein elektronischer Impfnachweis erforderlich sein. Selbst in Frankreich wird eine solche Idee mittlerweile diskutiert. In Österreich wird laut darüber nachgedacht, dass die Gastronomie wieder geöffnet wird, aber nur für Personen, die einen negativen Testbefund vorlegen können.

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