ÖPNV: Vida fordert Festhalten an Direktvergabe im Bahnverkehr

Innenraum ÖBB 5047
Innenraum ÖBB 5047 "Jenbacher" (Foto: Robert Spohr).

ÖPNV: Vida fordert Festhalten an Direktvergabe im Bahnverkehr

Innenraum ÖBB 5047 "Jenbacher" (Foto: Robert Spohr).
Werbung

Die österreichische Gewerkschaft Vida stemmt sich massiv dagegen, dass die in Österreich noch übliche Direktvergabe im Eisenbahnverkehr beendet werden soll. Ähnlich wie in anderen EU-Staaten soll künftig ausgeschrieben und an den Bestbieter vergeben werden.

In Deutschland, wo schon länger ausgeschrieben wird, sind die Ergebnisse äußerst unterschiedlich. In vielen Fällen ging der Zuschlag an private Anbieter. Manchmal führte dies tatsächlich zu signifikanten Verbesserungen, jedoch ist die Kehrseite leider auch, dass es punktuell sogar zu Pleiten der privaten Bahngesellschaften führte und dann mittels Notvergaben andere Unternehmen einspringen mussten. Auch gelingt es manchen Bahngesellschaften nicht pünktlicher als die Deutsche Bahn zu sein, sondern die Verspätungen sind mitunter sogar häufiger und höher als beim Platzhirsch. Ein einheitliches Bild gibt es nicht, weil es tatsächlich Region für Region und Vergabelos für Vergabelos äußerst unterschiedlich ist.

In Österreich ist private Eisenbahngesellschaften, die eigenwirtschaftlich verkehren, durchaus üblich. Als Beispiele hierfür wären die Westbahn und Regiojet zu nennen. Auch gibt es im Nahverkehr punktuell private Gesellschaften, jedoch ist der signifikante Unterschied, dass diese schon seit vielen Jahren auf eigener Infrastruktur verkehren und nicht im Rahmen von Péage-Verträgen, wobei es auch hier ein paar Ausnahmen gibt. Der Großteil des ÖPNV wird aber im Rahmen von Direktvergaben an die Österreichischen Bundesbahnen vergeben. Geht es nach der Gewerkschaft Vida, dann soll das auch genau so bleiben.

Dass sich der ÖPNV vorne und hinten nicht rechnet und auf öffentliche Zuschüsse angewiesen ist, ist allgemein bekannt. In Österreich hat sich die Praxis aber stark gewandelt, denn einst waren im Busverkehr Postbus und Bahnbus die Platzhirsche. Dass man es nicht geschafft hat zwei staatliche Unternehmen zu koordinieren, gipfelte in der Errichtung der Bundesbusgeschäftsstelle, die genau dies tun sollte. Der Erfolg war bescheiden, so dass zehn Jahre später die Auflösung erfolgte. Bahn und Post sind wieder getrennt unterwegs gewesen. Ein paar Jahre später wurde der Postbus, der damals der staatlichen Post gehörte, an die ÖBB „verschoben“ und diese legten mit dem Bahnbus zusammen und daraus entstand der heute bekannte Postbus.

ÖPNV-Busverkehr fast nur noch ausgeschriebene Auftragsverkehre

Dieser hat nicht nur durch die damalige Fusion viele Strecken an private Betreiber abgeben müssen, sondern in fast allen Regionen änderte sich das Konzept. Wurden früher Konzessionen für den Betrieb an Bahn, Post oder private Anbieter vergeben, ist dies heute ein Auslaufmodell. Nur noch wenige Strecken werden aufgrund von Konzessionen eigenwirtschaftlich, jedoch in einen Verkehrsverbund eingebunden, betrieben. Dies traf sowohl den Postbus als auch private Busfirmen kräftig, denn zum Beispiel hat ein in Wiener Neustadt ansässiges Unternehmen nach über 100 Jahren Betrieb sämtliche Strecken abgeben müssen. Grund: Die unbefristeten Konzessionen wurden mit Vorlauffrist behördlich aufgekündigt und der VOR mit der Ausschreibung und Vergabe beauftragt. Resultat: Ein Wiener Busunternehmer erhielt den Zuschlag. Mittlerweile sind Postbus und private Anbieter im ÖPNV-Linienverkehr nur noch in Ausnahmefällen auf eigene Rechnung unterwegs. Der Regelfall ist zunehmend, dass man im Auftrag von Verkehrsverbünden, Städten, Gemeinden und Landesregierung auf deren Rechnung fährt. Dafür erhält man einen fixen Betrag und es spielt keine Rolle wie viele Passagiere an Bord sind. Und der fixe Betrag wird eben ausgeschrieben und vorgesehen ist, dass es an den Bestbieter vergeben werden muss. Im Regelfall ist es jener Unternehmer, der für das geringste Entgelt fahren möchte.

Die Gewerkschaft Vida befürchtet, dass es im Eisenbahnverkehr eine ähnliche Entwicklung geben könnte. Davon wären nicht nur die ÖBB, sondern auch die GKB, Steiermarkbahn und andere kleinere Unternehmen, die bislang im Rahmen von Direktvergaben im ÖPNV tätig sind, betroffen. Die Arbeitnehmervertreter haben nicht nur moralische, sondern auch rechtliche Bedenken. Die im Juni 2023 veröffentlichten Leitlinien, also rechtliche Erläuterungen, der Kommission zur Vergabe von Personenverkehrsleistungen auf der Schiene sorgen seitdem für Kritik. Die Leitlinien stellen die in Österreich und den meisten EU-Ländern sowie in der Schweiz übliche und bewährte Direktvergabe durch Bund oder Länder an Eisenbahnunternehmen in Frage. Ein heute präsentiertes Rechtsgutachten von Prof. Derosier und Prof. Lachmayer (Universitätsprofessor für öffentliches Recht und Europarecht) zu den Leitlinien der EU-Kommission zeigt gravierende rechtsstaatliche Probleme und den Versuch auf, demokratisch gefasste Entscheidungen im Europäischen Parlament auszuhebeln, auf. „Dieser Ansatz der Kommission steht im Widerspruch zur Verordnung, die nach wie vor die Direktvergabe vorsieht“, so Konrad Lachmayer, Mit-Verfasser des Rechtsgutachtens.

Vida: Direktvergabe soll beibehalten werden

„In Europa werden aus gutem Grund über 70 Prozent der Schienenpersonenkilometer über Direktvergabe organisiert und finanziert. Erfolgreiche und sichere Bahnen am Altar der Liberalisierungsreligion zu opfern, würde den öffentlichen Personenverkehr gefährden und hätte auch gravierende negative Auswirkungen auf die Beschäftigten und Arbeitsbedingungen bei den Bahnen“, sagt Olivia Janisch, Stellvertretende Vorsitzende der Vida.

Unser Bahnsystem funktioniert, meint Lukas Oberndorfer, Leiter der Abteilung für Umwelt und Verkehr der AK Wien: „Niemand in der EU fährt so viel Bahn, wie die Menschen in Österreich. Das macht deutlich, wie wichtig unsere Bahnen nicht zuletzt beim Pendeln für die Mitglieder der AK sind. Ein Blick über die Grenze zur Deutschen Bahn zeigt die Folgen von Liberalisierung: Mehr Markt bedeutet weniger Verlässlichkeit und Planbarkeit. Das können wir uns angesichts der Klimakrise nicht leisten: In Österreichs Klimabilanz, in der allerdings der Flugverkehr weitgehend ausgeklammert wird, gehen 99 Prozent der verkehrsbedingten Treibhausgas-Emissionen auf den Straßenverkehr zurück. Die Direktvergabe hilft hier rasch, neue und dichtere Zugverbindungen zu schaffen. Ausschreibungen hingegen dauern lange und verzögern die dringend notwendige Mobilitätswende.“

Guter und niedrigschwelliger öffentlicher Verkehr ist nicht kostendeckend, sondern wird über öffentliche Gelder mitfinanziert. Die sogenannte PSO-Verordnung (Public Service Obligation, Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 bzw. 2016/2338 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße des Europäischen Parlaments und des Rates) regelt die Organisation, Vergabe und Finanzierung von gemeinwirtschaftlichen Verkehren in der EU. Diese Verordnung sieht im Eisenbahnpersonenverkehr die Wahlmöglichkeit zwischen Direktvergabe und wettbewerblicher Ausschreibung vor.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Redakteur dieses Artikels:

[ssba-buttons]

Paywalls mag niemand
– auch Aviation.Direct nicht!

Informationen sollten frei für alle sein, doch guter Journalismus kostet viel Geld.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie Aviation.Direct freiwillig auf eine Tasse Kaffee Kaffee einladen.

Damit unterstützen Sie die journalistische Arbeit unseres unabhängigen Fachportals für Luftfahrt, Reisen und Touristik mit Schwerpunkt D-A-CH-Region und zwar freiwillig ohne Paywall-Zwang.

Wenn Ihnen der Artikel nicht gefallen hat, so freuen wir uns auf Ihre konstruktive Kritik und/oder Ihre Verbesserungsvorschläge wahlweise direkt an den Redakteur oder an das Team unter unter diesem Link oder alternativ über die Kommentare.

Ihr
Aviation.Direct-Team
Paywalls
mag niemand!

Über den Redakteur

[ssba-buttons]

Paywalls mag niemand
– auch Aviation.Direct nicht!

Informationen sollten frei für alle sein, doch guter Journalismus kostet viel Geld.

Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, können Sie Aviation.Direct freiwillig auf eine Tasse Kaffee Kaffee einladen.

Damit unterstützen Sie die journalistische Arbeit unseres unabhängigen Fachportals für Luftfahrt, Reisen und Touristik mit Schwerpunkt D-A-CH-Region und zwar freiwillig ohne Paywall-Zwang.

Wenn Ihnen der Artikel nicht gefallen hat, so freuen wir uns auf Ihre konstruktive Kritik und/oder Ihre Verbesserungsvorschläge wahlweise direkt an den Redakteur oder an das Team unter unter diesem Link oder alternativ über die Kommentare.

Ihr
Aviation.Direct-Team
Paywalls
mag niemand!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Werbung