Paris-Wien-Montreal mit Austrian Airlines für 77 Euro am Markt

Boeing 767 (Foto: Austrian Airlines).
Boeing 767 (Foto: Austrian Airlines).

Paris-Wien-Montreal mit Austrian Airlines für 77 Euro am Markt

Boeing 767 (Foto: Austrian Airlines).
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Im Dezember 2021 äußerte sich Austrian-Airlines-Vorstandsmitglied Michael Trestl wohlwollend gegenüber den von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) geplanten Mindestpreise für Flugtickets. Dazu passt so ganz und gar nicht, dass momentan Flüge von Paris über Wien nach Montreal für 77 Euro zu haben sind.

Ist Austrian Airlines etwa unter die Ultra-Lowcoster gegangen? Nicht wirklich, denn die AUA selbst verkauft Paris-Wien-Montreal nicht für 77 Euro, sondern ein so genannter Online Travel Agent. Die AUA selbst verlangt für die idente Flugverbindung 113,06 Euro. Ein OTA meint aber aus eigener Tasche die Differenz übernehmen zu müssen, um in Suchmaschinen möglichst weit oben gelistet zu werden.

113,06 Euro sind für einen Flug von Paris über Wien nach Montreal nicht gerade teuer und es ist unwahrscheinlich, dass dieser Preis die Gestehungskosten abdeckt. Das ist insofern überraschend, weil sich Austrian Airlines-Vorstandsmitglied Michael Trestl erst im Dezember 2021 für die von Verkehrsministerin Leonore Gewessler geplanten Mindestpreise ausgesprochen hat. Beispielsweise betonte Trestl im Dezember 2021, dass Austrian Airlines die geplanten Mindestpreise „voll unterstützen wird, um Angebote unter den Gestehungskosten zu verhindern“.

Austrian Airlines erklärte auf Anfrage unter anderem, dass die Preisgestaltung vom lokalen Marktumfeld abhängig ist. Im konkreten Fall sind es die Märkte Kanada und Frankreich, nicht jedoch Österreich. Von der Buchung über so genannte Online-Travel-Agents rät man übrigens ab und empfiehlt die Nutzung der AUA-Homepage oder österreichische Reisebüros.

Für 77 Euro von Paris über Wien nach Montreal (Screenshot Jetcost).

OTA bietet Flüge billiger als die AUA selbst an

Betrachtet man die Billigangebote im Detail, so zeigt sich ein durchaus beachtliches Phänomen, denn es ist gar nicht die AUA selbst, die Flugscheine so billig anbietet. Auf der Homepage des Carriers kosteten die identen Flüge von Paris über Wien nach Montreal nämlich rund 35 Euro mehr. Wie kommt es dann zu Stande, dass man von Frankreich aus für 77 Euro, 85,99 Euro und so weiter mit der AUA nach Montreal fliegen kann?

Die Antwort ist recht simpel: Einerseits sind die Tarife momentan aufgrund komplizierter Nachfrage sehr niedrig und andererseits gibt es jemanden, der ein paar Euro draufzahlt, um Kunden gewinnen zu können. Die ultrabilligen Langstreckentickets werden über den Online-Travel-Agent (OTA) Mytrip.com angeboten und somit nicht über Austrian Airlines selbst. Das Unternehmen muss, abgesehen von etwaigem Weiterverkauf von Veranstalterkontingenten, zum tagesaktuellen Preis bei Austrian Airlines einkaufen. Da schon lange keine Provisionen mehr bezahlt werden, wäre nun logisch, wenn – ähnlich wie im stationären Reisebüro – ein Aufschlag erhoben wird.

Austrian Airlines verlangt 113,06 Euro (Screenshot AUA).

Das Gegenteil ist aber der Fall, denn OTAs bieten häufig billiger an als die Airline selbst, um Kunden gewinnen zu können. Exemplarisch wird dies wie folgt dargestellt: Austrian Airlines bietet eine Flugverbindung von Paris über Wien nach Montreal auf der eigenen Homepage für 113,06 Euro an. Mytrip.com verlangt für die identen Flüge jedoch nur 85,99 Euro. Beide Preise sind für eine Flugreise auf dieser Strecke ein absolutes Schnäppchen, jedoch lässt es sich Mytrip.com 27,99 Euro kosten damit man über die Plattform bucht. Austrian Airlines macht OTAs keine Spezialtarife, sondern rät sogar von der Nutzung deren Dienstleistungen ab.

Irgendwoher müssen dann die „subventionierten“ 27,99 Euro wieder reinkommen. Die Annahme derartiger OTAs ist, dass zum Teil ziemlich nutzlose eigene Extraleistungen wie „automatischer Checkin“ dazu gekauft werden. Weiters schlägt man auf kostenpflichtige Zusatzleistungen der Airlines zum Teil kräftig drauf, so dass sich der vermeintliche Preisvorteil rasch in Luft auflöst und man am Ende mehr bezahlt als zum Beispiel Austrian Airlines verlangt hätte. Weiters ist eine häufige Masche der OTAs, dass man nur bei Verwendung einer bestimmten Zahlungsart kräftige Rabatte gewährt. In Fällen, die im Zuge der Recherchen für diesen Artikel im Detail geprüft wurden, wären es Debit- und Kreditkarten der Marke Visa gewesen. Ausnahmsweise mal eine doch sehr verbreitete Kartenmarke, denn viele OTAs knüpfen den „Rabatt“ an wenig verbreitete Zahlungsformen wie ausgefallene Prepaid-Karten bestimmter Issuer.

Exemplarisches Beispiel um 85,99 (Screenshot Mytrip.com).

„Wir empfehlen grundsätzlich allen Kunden, Tickets direkt über die Fluglinie oder Reisebüros mit Sitz in Österreich zu buchen, da sich bei Buchungen über Onlineplattformen oft Schwierigkeiten bei  Rückerstattungen ergeben. Bucht ein Kunde über eine Onlineplattform, erhalten wir als Fluglinie in der Regel keinerlei Details von dieser Plattform wie zum Beispiel Konto- oder Kreditkartennummer, etc. sondern lediglich Name und Route. In vielen Fällen ist nur die Mailadresse der Onlineplattform hinterlegt, wodurch wir nicht mal direkt mit dem Passagier in Kontakt treten können“, erklärt eine Sprecherin von Austrian Airlines.

Austrian Airlines begründet Preise mit „lokalem Marktumfeld“

Unabhängig davon stellt sich natürlich auch die Frage warum Austrian Airlines auf der eigenen Homepage Flüge von Paris über Wien nach Montreal für 113,06 Euro verkauft. Auch mit dieser Summe sind die Gestehungskosten der Langstreckenreise nicht ansatzweise abgedeckt. Selbst wenn der Passagier nahezu alle verfügbaren Extras dazu kauft, wird es sehr schwierig zumindest eine schwarze Null einzufliegen.

Dazu erklärte eine Sprecherin der Austrian Airlines gegenüber Aviation.Direct: „Zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähigkeit entscheidet die Lufthansa Group und ihre Airlines, welche Preise in einem gegebenen lokalen Marktumfeld angeboten werden müssen, um an wichtigen Reiseströmen zu partizipieren. Dabei basieren die Prozesse auf der sogenannten „O&D-Logik“ (O=Origin, D=Destination). In diesem konkreten Fall geht es um den Markt Paris-Montreal, in dem durch Wettbewerber teils sehr niedrige Preise angeboten werden.  In diesem Fall ist also nicht die Marktdynamik aus dem Markt Österreich entscheidend, sondern Wien ist lediglich ein möglicher Umsteigeort für diese Reise von Paris nach Montreal.“

Daraus ergibt sich das Kuriosum, dass man bei Langstreckenflügen kräftig Geld sparen kann, wenn man beispielsweise mit einem von der Lufthansa Group kritisiertem 9,99 Euro Ticket zu einem anderen Flughafen fliegt und von dort aus mit dem wesentlich billigeren Langstreckenticket (samt „Zubringer“) wieder zurück nach Wien und dann die Maschine besteigt. Wer aber glaubt, dass man sich den Antritt des ersten Flugsegments „schenken“ kann und gleich in Wien einsteigen kann, der irrt. In den Beförderungsbedingungen ist festgehalten, dass die Flüge in der gebuchten Reihenfolge abgeflogen werden müssen. Bei der Hinreise kann es also problematisch werden, wenn man sich daran nicht hält.

Ganz anders sieht es beim Heimflug aus, denn man kann durchaus am Umstiegsort aussteigen und auf das letzte Flugsegment „pfeifen“. Zwar verstößt man damit möglicherweise gegen die Beförderungsbedingungen der Fluggesellschaft, jedoch gibt es keinerlei rechtliche Verpflichtung eine gekaufte Dienstleistung auch tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Immer wieder versuchte Lufthansa Nachverrechnungen gerichtlich durchzusetzen, jedoch kam man damit vor Gericht nicht durch. Mittlerweile hat sich beispielsweise das OTA-Portal Kiwi.com schon darauf spezialisiert Umsteigeverbindungen, dessen letztes Flugsegment gar nicht genutzt werden soll, zu verkaufen. Man bezeichnet dies als „Reise-Hack“.

1 Comment

  • Leopold Hametner , 3. Februar 2022 @ 09:51

    Vielen Dank für diesen für mich sehr interessanten Artikel.
    Würde gerne öfters so gut informiert werden.

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  • Leopold Hametner , 3. Februar 2022 @ 09:51

    Vielen Dank für diesen für mich sehr interessanten Artikel.
    Würde gerne öfters so gut informiert werden.

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