Marathon-Unfall: Ermittler machen Piloten schwere Vorwürfe

Embraer 195 (Foto: Air Serbia).
Embraer 195 (Foto: Air Serbia).

Marathon-Unfall: Ermittler machen Piloten schwere Vorwürfe

Embraer 195 (Foto: Air Serbia).
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Der vorläufige Bericht der Flugunfallermittler, der über den Vorfall, der sich am 22. Feber 2024 mit einem von Marathon Airlines betriebenen Embraer 195 auf dem Flughafen Belgrad ereignet hat, macht den Piloten schwere Vorwürfe.

Der Regionaljet mit der Registrierung OY-GDC sollte im Auftrag von Air Serbia unter der Flugnummer JU324 von der serbischen Hauptstadt nach Düsseldorf fliegen. Das Flugzeug befand sich auf der Piste 30L auf dem Rollweg D5, der eine verfügbare Startbahn von 1.273 Metern hat. Das Flugzeug setzte um 17:38 Uhr zum Start an und überflog das Ende der Startbahn, bevor es in der Luft war. Es wurden sowohl die Anflugbefeuerung als auch die ILS-Antenne der Piste 12R touchiert, da sich der Embraer 195 erst etwa 500 Meter nach dem Ende der Runway tatsächlich in die Luft erhoben hat. Das Flugzeug stieg etwa 2.050 m hinter dem Ende der Landebahn auf eine Höhe von 15 Meter und beendete seinen Steigflug bei 1.219 Meter.

Die Auswertung des Sprechfunkverkehrs zwischen den Piloten und der Flugsicherung hat ergeben, dass die OY-GDC die Runway 30L an der Einfahrt D6 befahren sollte. Tatsächlich fuhr man aber bei D5 ein. Auf diesen Fehler wurden die Flugzeugführer ausdrücklich hingewiesen und dazu aufgefordert zurückzukehren und am Punkt D6 erneut einzufahren. Daraufhin antworteten die Piloten der griechischen Fluggesellschaft, dass man sehr wohl in der Lage ist ab D5 zu starten. Die Freigabe wurde erteilt. Die Lotsen gaben gegenüber den Ermittlern an, dass sie den Start beobachtet haben und dabei wahrgenommen haben, dass viel Staub aufgestiegen sein soll und der Steigflug auffällig langsam erfolgt sein soll.

Crew hielt Start für sicher

Kurz nach dem Start meldete die Besatzung, dass sie sofort zurückkehren müsse, da sie beim Abflug ein Objekt getroffen habe. Der Towerlotse bestätigte die Aufforderung und wies ein Flugzeug, das sich bereits auf der Startbahn befand, an, diese zu räumen. Die Piloten gaben an, dass sie vollen Startschub genutzt hätten und bei etwa 100 Knoten bemerkt haben wollen, dass die zur Verfügung stehende Piste nicht ausreicht. Man habe entschieden, dass das Abheben sicherer wäre, da sie davon ausgegangen sind, dass man ohnehin gleich in der Luft wäre.

Die Besatzung begann, die Nase des Flugzeugs anzuheben, um zu versuchen, in die Luft zu kommen. Als das Flugzeug die Landebahn verließ, begann es zu wackeln und prallte gegen ein Objekt. Nachdem das Flugzeug in die Luft gekommen war, erhielt die Besatzung mehrere Hinweise auf Probleme mit verschiedenen Bordsystemen. Dazu gehörten die Klappen und die Entlüftung. Anschließend wären die Checklisten abgearbeitet worden und ein Mayday-Notruf abgesetzt worden. Man habe einen Tiefflug am Tower durchgeführt und gebeten, dass dieser schaut, ob mit dem Fahrwerk alles in Ordnung ist. Dabei wurden aber keine Beschädigungen festgestellt.

Wohlaber habe es Probleme mit der Landeklappe gegeben. Nach dem Verbrennen überschüssigem Treibstoff wäre man mit höherer Geschwindigkeit als üblich gelandet. Die vorsorglich herbeigerufenen Einsatzkräfte haben ein Treibstoffleck im Bereich der linken Tragfläche festgestellt und darüber die Piloten unverzüglich informiert. Die Triebwerke wurden abgestellt und ein Notfallteam kümmerte sich darum, dass das Leck provisorisch abgedichtet wird.

Die Passagiere konnten dann über die Treppen aussteigen. Die schwere Beschädigung wurde dann von Außen auch durch die Piloten wahrgenommen. Aufgrund einer Sofort-Anordnung der serbischen Zivilluftfahrtbehörde wurde der Regionaljet in einen gesonderten Bereich des Belgrader Flughafens geschleppt.

Piloten sollen Flugparameter unzureichend bewertet haben

Bei einer visuellen Inspektion bei Tageslicht am nächsten Morgen wurden Reifenspuren des Flugzeugs über das Ende der asphaltierten Fläche hinaus gefunden. Es wurde bestätigt, dass das Flugzeug mit mehreren Anflugbefeuern und der ILS-Überwachungsantenne kollidiert war, die sich 45 Meter hinter der asphaltierten Fläche befand. In der Flügelwurzel des Flugzeugs selbst wurden Teile des Flughafenbegrenzungszauns gefunden. Etwa 160 Meter dahinter wurden am Boden Betonkontaktspuren des Rumpfes des Flugzeugs gefunden. Von den Bugrädern des Flugzeugs wurden keine Spuren am Boden gefunden, während die Spuren des Hauptfahrwerks bis zur Überwachungsantenne gefunden wurden. 

Im ersten Zwischenbericht gehen die Flugunfallermittler der serbischen Zivilluftfahrt davon aus, dass der von Marathon Airlines betriebene Embraer 195 über das Ende der Start- und Landebahn hinausgefahren ist und die beiden Hauptfahrwerksstreben das meiste Gewicht trugen und die Vibrationen auf die Flugzeugzelle übertrugen. Das Flugzeug traf die Überwachungsantenne und ihr Fundament mit dem linken Flügel. Die Piloten sollen möglicherweise die Startparameter während der Vorbereitung unzureichend bewertet haben und die Entscheidung auf der verkürzten Piste zu starten und damit die Warnung der Lotsen zu ignorieren, leichtfertig getroffen haben.

Air Serbia hat umgehend auf den Vorfall reagiert und die Zusammenarbeit mit Marathon Airlines fristlos aufgelöst. Die Kapazität konnte man – zumindest teilweise – mit einer Boeing 737-800 von Klasjet kompensieren. Dennoch muss der serbische Carrier den Flugplan kürzen. Ursprünglich war geplant, dass die Wetlease-Kooperation mit Marathon Airlines im Sommer 2024 um zwei Embraer-Jets erweitert werden soll.

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