Verkehrsverbund Ostregion (Foto: Jan Gruber).
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ÖPNV: Burgenland und Niederösterreich wollen ihre eigene Suppe kochen

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In den österreichischen Bundesländern Wien, Niederösterreich und Burgenland befindet sich der öffentliche Personennahverkehr seit vielen Jahren in einer Transformationsphase. Der eigenwirtschaftliche Verkehr von Unternehmern wird zunehmend durch von der öffentlichen Hand bestellten Verkehren ersetzt.

Über viele Jahre hinweg gab es gar zwei Verkehrsorganisationen: Der Verkehrsverbund Ostregion, in dem hauptsächlich Wien und die Eisenbahnverkehre organisiert waren sowie der konkurrierende Verkehrsverbund Niederösterreich-Burgenland, in dem hauptsächlich Buslinien angesiedelt waren. Es kam zu vielen Überlappungen und über Jahre hinweg dazu, dass Tickets gegenseitig nur unter bestimmten Bedingungen anerkannt wurden. Für die Fahrgäste waren unterschiedliche Tarife verwirrend. Der VVNB wurde im Juli 2016 in den VOR integriert und damit ausgelöst. Seither gibt es nur noch den Verkehrsverbund Ostregion, dessen Gesellschafter die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland sind.

Eigenwirtschaftlicher Betrieb versus Bestellerprinzip

Es gab aber sehr große Unterschiede: Während der VVNB ein Unternehmerverbund war, galt im VOR seit jeher das Bestellerprinzip. Konkret bedeutet das, dass im nicht mehr existierenden Verbund die Busunternehmer mit ihren eigenen Linienkonzessionen auf eigene Rechnung gefahren sind. Zuschüsse gab es auf Antrag von den jeweiligen Bundesländern und Umstiege auf Busse anderer Verbundmitglieder waren möglich, denn die ausgestellten Fahrkarten wurden untereinander anerkannt. Im Verkehrsverbund Ostregion wird der Betrieb der Linien öffentlich ausgeschrieben und der Bestbieter erhält den Zuschlag.

Die Integration des VVNB und den VOR hatte für die Busunternehmer erhebliche Konsequenzen. Die Kraftfahrlinienkonzessionen wurden mit dem jeweiligen Ablauf der Genehmigung nicht mehr verlängert. Vielmehr hat der Verkehrsverbund Ostregion den Betrieb neu ausgeschrieben. So kam es in manchen Regionen dazu, dass der bisherige Unternehmer nicht mehr fahren durfte. Ein sicherlich krasses Beispiel: Im Bezirk Wiener Neustadt verloren die Verkehrsbetriebe Partsch nach annähernd 100 Jahren ihre Linienkonzessionen, denn in den Ausschreibungen setzten sich beispielsweise die Konkurrenten Dr. Richard oder Oberger durch.

Postbus ist stark geschrumpft

Stark Federn lassen musste der Postbus. Hierzu ist anzumerken, dass es einst zwei staatliche Busbetriebe gab: Den Postbus, der bis zum Jahr 2000 ein Teilbetrieb der Post & Telekom Austria AG war, anschließend als Österreichische Postbus AG an die damalige ÖIAG übergeben wurde und im Jahr 2005 an die ÖBB verschoben wurde sowie den Bahnbus, der Bundesbahnen. Nach der Fusion hieß das Unternehmen zunächst ÖBB-Postbus GmbH und nach Umstrukturierungen wieder Österreichische Postbus AG. Die im Jahr 2005 vollzogene Fusion wurde auch „Bundesbus neu“ genannt, denn zwischen 1988 und 1997 war über die Betriebe Postauto und Bahnbus die Bundesbus-Geschäftsstelle gestülpt, die mit sehr bescheidenem Erfolg das Zusammenspiel der beiden Betriebe regeln sollte. Es war ein großer Flop, jedoch ist die Fusion unter dem Namen Postbus, aber als ÖBB-Tochter, dann im Jahr 2005 – also im zweiten Anlauf – gelungen.

Jedenfalls war es ursprünglich so geregelt, dass die Post für den Überland-Busverkehr zuständig war und den Bundesbahnen die Routen parallel zu den Eisenbahnstrecken oder aber als direkte Zubringer aus dem Land zu Bahnhöfen vorbehalten war. Dass es dabei zu Überschneidungen gekommen ist und man sich wenig darum geschert hat, liegt auf der Hand. Zusätzlich konnten private Unternehmer so genannte Kraftfahrlinienkonzessionen bei der zuständigen Landesregierung beantragen. Wenn diese den entsprechenden Bedarf gesehen hatte, wurde zumeist die entsprechende Bewilligung ausgestellt. Der Betrieb erfolgte dann auf eigene Rechnung, wobei im Bedarfsfall durchaus Zuschüsse beantragt werden konnten.

Aus „auf eigene Rechnung“ wurde „auf Kosten des Steuerzahlers“

Im Verkehrsverbund Ostregion gibt es nur noch wenige Linien, die aufgrund „alter Konzessionen“ auf Rechnung der Busunternehmer betrieben werden. Beispielsweise handelt es sich um die Postbus-Strecke 1155 und die Route 7941 von Blaguss Reisen. Doch auch diese haben ein „Ablaufdatum“ und sollen künftig vom Land Burgenland bzw. deren Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH betrieben bzw. ausgeschrieben werden. In Wien waren einst die so genannten B-Buslinien jene, die auf eigene Rechnung privater Busunternehmen betrieben wurden. Auch das ist schon lange vorbei, denn alle Konzessionen wurden nicht mehr verlängert und auf die Wiener Linien übertragen. Diese müssen im Gegenzug einige Routen ausschreiben und an Subunternehmer zum Betrieb übergeben. Es handelt sich also auch um das Bestellerprinzip.

Obwohl die Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland gemeinsam den Verkehrsverbund Ostregion besitzen, werden immer mehr Alleingänge außerhalb der Zuständigkeit des VORs gemacht. Zwar sind die Linien aus formellen Gründen dann in den VOR integriert, jedoch hat dieser keinen Einfluss darauf welches Unternehmen fährt. Das Burgenland hat bereits im großen Stil Routen, die vormals durchaus erfolgreich von privaten Anbietern wie Dr. Richard betrieben wurden, in die Zuständigkeit der Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH verschoben. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Linie G1, die nun als B01 geführt wird. Dr. Richard war hier über Jahrzehnte hinweg auf eigene Rechnung tätig, nun ist man Subunternehmer der Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH.

Burgenland macht es vor, Niederösterreich zieht nach

Bemerkenswert ist dabei auch der Umstand, dass man im Burgenland Kraftfahrlinienkonzessionen auslaufen lässt und anschließend entweder die landeseigenen Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH selbst auf den Linien fahren lässt oder aber die vormaligen Betreiber als Subunternehmer anheuert. Der Einfluss des Verkehrsverbundes Ostregion ist so ziemlich gar nicht vorhanden, da die Landesregierung des Burgenlandes ihre eigene Suppe kochen will. Das hat eine gewisse Vorbildwirkung, denn auch in Niederösterreich hat man mittlerweile gesehen, dass es durchaus Vorteile hat, wenn man die Kompetenzen des Landes nutzt und am VOR vorbei das Linienmanagement selbst übernimmt.

Daraus macht man in einer Medienerklärung auch keinen Hehl: „Das Land Niederösterreich beabsichtigt, die niederösterreichischen -Regionalbusverkehre sowie die niederösterreichischen Bedarfsverkehre angelehnt an das burgenländische Modell in der landeseigenen Verkehrsorganisationsgesellschaft NÖVOG anzusiedeln. Grund dafür seien laut dem Land Niederösterreich die steigenden Ansprüche an das öffentliche Mobilitätsangebot, die neue Lösungen erfordern. Die Organisation solle zu diesem Zweck näher zum Bürger kommen und in einem vereinfachten Prozess zusammenlaufen. Diese für Niederösterreich bedeutenden und weitgehend auch vom Bundesland selbst finanzierten Verkehre werden seit 2009 in der Verkehrsverbund Ost-Region (VOR) GmbH geplant, ausgeschrieben und beauftragt“.

In gewisser Weise ist dies eine „Rolle rückwärts“, denn bis zum Jahr 2009 hat das Land Niederösterreich jene Busverkehre, die bestellt wurden, weitgehend selbst organisiert. Diese waren –nebst jenen Routen, die auf eigene Rechnung von Unternehmern angeboten wurden, je nach Region entweder in den VVNB und/oder den VOR integriert. Als Beispiel hierfür sind die Wiesel-Busse nach St. Pölten zu nennen. Erst vor wenigen Jahren wurde die Verantwortung für diese von der NÖVOG an den VOR übergeben.

Jeder will seine eigene Suppe kochen

Offensichtlich scheinen sich die Bundesländer Niederösterreich und Burgenland stark daran zu stören, dass Wien bedingt durch den Umstand, dass man mit den Wiener Linien und den Wiener Lokalbahnen gleich zwei große Verkehrsbetriebe selbst besitzt, ein wesentlich höheres Eigeninteresse hat. Obskur ist aber, dass das Burgenland Strecken, die sich eigenwirtschaftlich getragen haben, in die Obhut des Verkehrsbetriebe Burgenland GmbH übertragen hat. Es ist noch gar nicht so lange her, da betonte Landeshauptmann Doskozil (SPÖ) wie erfolgreich und wichtig die Strecke G1 von Dr. Richard ist. Mittlerweile wurde diese „verstaatlicht“, denn die Konzession wurde nicht mehr verlängert und an die VBB vergeben. Mangels Bussen wurde dann Dr. Richard als Subunternehmer angeheuert.

Der Betrieb der Linien, die in einer regelrechten Nacht- und Nebelaktion vom Land Burgenland bzw. deren Verkehrsbetriebe Burgenland übernommen wurden, sind „ausgeschrieben“ worden. Es wurde eine direkte „Notvergabe“ an die bisherigen Betreiber gemacht und diese damit begründet, dass nur diese in der Lage wären den Betrieb kurzfristig zu übernehmen. Selbstredend hat man auch nach Regionen zwischen VBB-Eigenbetrieb sowie Sub-Betrieb durch Postbus, Dr. Richard, Blaguss und einige kleinere Betriebe aufgeteilt. Wohl will man vermeiden, dass ein Umstand wie auf ein paar niederösterreichischen VOR-Linien kommt: Dort wurde aufgrund des Bestgebots der Zuschlag an die SAD aus Südtirol vergeben.

Für die Zukunft des VOR ist der Umstand, dass Wien, Niederösterreich und Burgenland zunehmend ihre eigene Suppe kochen, durchaus problematisch. Die Gefahr besteht, dass ein Chaos, das aus alten Bahn-, Post- und Bundesbus-Zeiten bekannt ist, kommt: Mangelnde Koordination der Verkehre und somit mitunter auch Parallelverkehre sowie überschneidende Zuständigkeiten. Gerät dies komplett aus den Fugen, so könnte gar die verbundweite Anerkennung von Fahrkarten wackeln. Da der VOR Eigentum der drei Bundesländer ist, sollten diese wohl eher gemeinsam als jeder für sich planen und agieren. Leider ist derzeit eher das Gegenteil der Fall.

Auch im Eisenbahnverkehr wird bald ausgeschrieben

Während die Busverkehre fast vollständig „verstaatlicht“ worden sind, sieht es im Eisenbahnverkehr ein wenig anders aus. Es wird oft verkannt, dass auch viele ÖBB-Strecken im Nahverkehr bestellte VOR-Linien sind, die eigentlich europaweit ausgeschrieben werden müssen. Abgesehen von der Raaberbahn, die zumindest teilweise auf eigener Infrastruktur verkehrt, sind bisher ausnahmslos alle Strecken direkt an die ÖBB, Wiener Lokalbahnen und Raaberbahn vergeben worden. Die Gewerkschaft Vida fordert, dass dieses Prinzip beibehalten wird. Europarechtlich ist es aber so, dass einige Routen letztmalig direkt vergeben werden durften und beim Auslaufen der Konzession europaweit ausgeschrieben werden müssen.

Das bedeutet, dass auch andere Anbieter zum Zug kommen können. Davor hat man bei der Gewerkschaft Vida regelrecht Angst, denn am Beispiel Deutschland kann man feststellen, dass häufig private Anbieter bessere Angebote gemacht haben als die Staatsbahn. Die zunehmende Eigenbrödlerei von Wien, Niederösterreich und dem Burgenland, könnte das Thema Eisenbahnverkehr dann in eine chaotische Dimension heben und zwar dann, wenn man sich nicht innerhalb des VOR koordiniert, sondern nach Gutdünken selbst ausschreibt. Niederösterreich hat sich mit der landeseigenen Eisenbahngesellschaft NÖVOG schon in eine gute Position gebracht und dem Burgenland wird nachgesagt, dass man großes Interesse daran hat einige Strecken, die seit vielen Jahren stillgelegt sind, auf Landeskosten wieder in Betrieb zu nehmen. Doch viel mehr geht es um bestehende Routen. Selbst die Strecke Wien Oper-Baden Josefsplatz, seit über 100 Jahren von den Wiener Lokalbahnen betrieben, muss irgendwann ausgeschrieben werden. Nicht auszudenken welcher Konflikt zwischen Wien und Niederösterreich entstehen könnte, wenn das Land Niederösterreich den Zuschlag nicht an die Wiener Lokalbahnen, die dem Land Wien gehören, vergeben würde.

Abschließend ist generell anzumerken: Viele Politiker versuchen sich gerade im Bereich ÖPNV zu profilieren, indem kosmetische Änderungen auf Kosten des Steuerzahlers vorgenommen werden. Dies wird als besonders „klimafreundlich“ dargestellt. Für so manche Strecke besteht Bedarf, andere könnten mehr Frequenzen vertragen und dann gibt es aber Routen, bei denen die Frage erlaubt sein darf wer eigentlich zu für Berufstätige, Schüler, ja sogar Pensionisten, völlig unbrauchbaren Fahrzeiten in den Bussen und womöglich auch Zügen sitzen soll? Es gibt einige Busse, die sehr schwach besetzt sind oder gar komplett leer herumfahren, weil der Fahrplan von irgendjemandem ohne über den Bedarf nachzudenken, erstellt wurde. In der Vergangenheit war dies tatsächlich besser, denn die Privaten sind auf eigene Rechnung zumeist dann gefahren, wenn wirklich Bedarf war. Letztlich merkt man auch bei der öffentlichen Hand, dass man die Route kaputt gemacht hat und als Ersatz sollen dann wesentlich teurere „On-Demand-Verkehre“ aufgezogen werden werden…

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