Mehr Busgates, weniger Fluggastbrücken (Rendering: Flughafen Wien AG).
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Kommentar: Wien will mit mehr Busgates ein Five-Star-Airport werden

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In den letzten Jahren zeigt sich am Flughafen Wien ein Trend: Statt mehr Fluggastbrücken werden immer wieder zusätzliche Busgates geschaffen. Zwar wurden im „Altbau“ die einstigen B-Gates aufgelassen, jedoch entstanden als Ersatz zusätzliche Bereiche. Mit der Errichtung der Süderweiterung des Terminals 3 setzt sich dies weiter fort.

Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden die B-Gate, an denen ausschließlich Busboarding durchgeführt wurde, stillgelegt. Mittlerweile befindet sich in diesem Bereich eine Passkontrollzone der Polizei. Bereits zuvor wurden diese Flugsteige nur noch selten genutzt. Als Ersatz wurden im Bereich der C-Gates gleich zwei zusätzliche Zonen, an denen ausschließlich Busboarding möglich ist. Die erste ist schon länger in Betrieb und die zweite wurde unmittelbar vor der Corona-Pandemie fertiggestellt und steht somit seit der Wiederinbetriebnahme des Terminalkomplexes 1+2 zur Verfügung. Zusätzlich wurde während der Pandemie im Terminal 3 im Tiefgeschoss der F-Gates eine weitere Zone für Busboarding geschaffen. Während der Krise gab es in Wien sogar „doppeltes Busboarding“.

Bereits seit einigen Jahren ist bekannt, dass der Flughafen Wien-Schwechat mit Hilfe der sich nun in Bau befindlichen Süderweiterung des Terminals 3 einige Fehlplanungen, die in der Vergangenheit begangen wurden, beheben will. Ein genauer Blick auf die Renderings zeigt aber auch, dass es künftig weniger Fluggastbrücken geben wird.

Das „billige“ Busboarding

Viele Passagiere empfinden es als „billig“, wenn das Boarding per Bus oder gar zu Fuß über das Vorfeld erfolgt. In unsachlichen Diskussionen ist gar die Rede davon, dass nur Billigflieger keine Fluggastbrücken nutzen würden. Das stimmt so ganz und gar nicht, aber es ist eben eine subjektive Wahrnehmung von Reisende, die eher so genannte Wenigflieger sind. In der Praxis ist es aber tatsächlich so, dass immer mehr Airlines gar nicht mehr wollen, dass ihre Maschinen an die Gangways andocken, denn das Ein- und Aussteigen dauert länger als beim Walk-Boarding bzw. Bus-Boarding, sofern zwei Eingangstüren des Flugzeuges genutzt werden können.

Es ist an dieser Stelle auch darauf hinzuweisen, dass es Maschinentypen gibt, die schlichtweg keine zwei Türen, die für das Boarding genutzt werden könnten, haben oder aber bauartbedingt nicht für das Andocken an Gangways geeignet sind. Beispielsweise kann die de Havilland Dash 8-400 nicht an handelsübliche Fluggastbrücken gestellt werden. An manchen Airports gibt es ein paar Konstruktionen, die das „quasi“ ermöglichen. Zum Beispiel in Stuttgart: An das Ende der Gangway wird eine Treppe gestellt. Über diese betreten die Fluggäste dann das Vorfeld und in unmittelbarer Nähe befindet sich dann der Einstieg ins Flugzeug – je nach Flugzeugtyp über die eingebaute Airstair oder eine weitere Treppe, die bereitgestellt wird.

Vorfeldbus am Flughafen Wien (Foto: Jan Gruber).

Airlines wollen verstärkt Bus- und Walk-Boarding

Doch woran liegt es eigentlich, dass der Flughafen Wien offensichtlich die Anzahl der Fluggastbrücken reduziert und gleichzeitig zusätzliche Busgates schafft? Primär liegt es an der Nachfrage seitens der Airlines, denn immer mehr Carrier wollen, dass ihre Passagiere per Bus zum Flugzeug gebracht werden. Noch lieber wäre diesen das so genannte Walk-Boarding über das Vorfeld. Die Gründe liegen auf der Hand: Das Ein- und Aussteigen über Gangways dauert auch dann wesentlich länger, wenn wie beispielsweise bei den C-Gates des Wiener Flughafens beide Türen genutzt werden können. Viele Passagiere nehmen gar nicht wahr, dass man eine Treppe hinunter gehen muss, um die hinter Tür erreichen zu können. Es gibt auch ein paar „Intelligenzbolzen“, die aus Prinzip auch dann vorne einsteigen wollen, wenn sich der Sitzplatz in der letzten Reihe befinden. Dies lässt sich weder mit Bus- und mit Walkboarding vermeiden.

Für Fluggesellschaften hat Busboarding entscheidende Vorteile: Sofern mehrere Türen zur Verfügung stehen, können die Fluggäste schneller aussteigen. Gleichzeitig können die Reisenden des nächsten Fluges bereits in den Vorfeldfahrzeugen „zwischengelagert“ werden und unmittelbar nach Freigabe durch die Besatzung kann das Boarding in die Maschine gewinnen. Es ist ein offenes Geheimnis, dass immer mehr Carrier ihre Passagiere mitunter mal eine halbe Stunde und länger auf in Bussen, Stiegenhäusern und Co „zwischenlagern“, obwohl das Flugzeug noch gar nicht zum Einsteigen bereit ist. Für die Reisenden kann das sehr unangenehm sein, aber die Airlines versprechen sich dadurch eine Beschleunigung des Einsteigevorgangs.

Gatebereich C21-24 am Flughafen Wien (Foto: Jan Gruber).

Niemand fühlt sich zuständing

Fragt man Flughäfen und Airlines wer denn darüber entscheidet, ob „zwischengelagert“ wird oder nicht, dann schiebt man sich gegenseitig den „schwarzen Peter“ zu. Die Fluggesellschaften reden sich auf die Airports aus, die darüber entscheiden würden, ob per Bus, Gangway oder übers Vorfeld ein- und ausgestiegen wird und besonders wann es mit dem Boarding losgeht. Die Airports bzw. Ground Handling Unternehmen verweisen darauf, dass die Fluggesellschaften die Regeln vorgeben würden. In der Tat: Die Positionen werden zugewiesen, aber die Abläufe bestimmen definitiv die Airlines. Bei der Zuweisung, also Gangway- oder Vorfeld-Positionen, werden nach Möglichkeit die Wünsche der Fluggesellschaften berücksichtigt. An manchen Airports ist Busboarding billiger als über Fluggastbrücken, an anderen macht es preislich überhaupt keinen Unterschied. Einige Carrier bestehen gar darauf, dass ausschließlich Gangways oder ausschließlich Außenpositionen mit Busboarding genutzt werden.

Doch wie passt es zu einem Airport, der den Anspruch hat ein so genannter Five-Star-Airport zu werden? Das ist eine gute Frage, bei der man berücksichtigen muss, dass die Rating-Agentur Skytrax in den letzten Jahren aufgrund einer fragwürdigen Entscheidung stark an Prestige und Glaubwürdigkeit verloren hat. Nur aufgrund einer Ankündigung verpasste man Lufthansa temporär fünf Sterne, wobei der fünfte dann bei nächster Gelegenheit wieder entzogen wurde.

Dicht an dicht in der Gangway (Foto: Jan Gruber).

Undichtes Dach

„Fünf Sterne“ werden mit Komfort und besonderem Luxus verbunden. Von diesem Anspruch ist insbesondere das Terminal 3 des Wiener Flughafens sehr weit entfernt. Das Bauwerk ist bis heute nicht mal wasserdicht. Bei Starkregen können das Passagiere im Bereich der G-Gates erleben, denn an vielen Stellen regnet es rein. Kübel stehen dann herum und Reinigungsteams sind laufend mit dem Wegwischen der Wassereinbrüche beschäftigt.

Auch passt es vielen Reisenden so ganz und gar nicht in den Kram, wenn bei Wind und Wetter auf dem Vorfeld eingestiegen werden muss. Da ist das Boarding über Fluggastbrücken wesentlich komfortabler, jedoch wollen genau das immer mehr Airlines nicht mehr. Allerdings kann das Gangway-Boarding durch eine Unsitte, die bereits seit einigen Jahren immer häufiger am Wiener Flughafen praktiziert werden, rasch sehr ungemütlich werden. Viele Airlines, darunter auch die AUA, lassen ihre Reisenden schon sehr früh in die Gangway, die weder klimatisiert noch beheizt ist. Das Flugzeug ist aber noch gar nicht bereit zum Einsteigen und somit müssen die Passagiere warten. Mit anderen Worten: Bei Kälte im Winter bzw. enormer Hitze im Sommer werden diese dicht an dicht „zwischengelagert“. Selbiges Phänomen gibt es auch beim Busboarding: Zwischenlagern in Stiegenhäusern („warten auf den Bus“) oder aber direkt vor der Maschine auf dem Vorfeld kommt alltäglich vor. Es geht hier oftmals nicht nur um fünf Minuten, sondern um eine halbe Stunde oder gar keine ganze Stunde. Mit etwas besserer Kommunikation wäre dies für die Reisenden komfortabler, aber fakt ist: Viele Carrier verlangen vom Ground Handling, dass die Passagiere sofort nach Freigabe ins Flugzeug einsteigen können. Die Betonung liegt auf Einsteigen und nicht erst mit dem Kontrollieren der Bordkarten beginnen.

Der Flughafen Wien stellt die Infrastruktur zur Verfügung. Für die Nutzung müssen die Passagiere über diverse Gebühren, beispielsweise das Fluggast-Entgelt, selbst bezahlen. Es ist keinesfalls so, dass man nur für den Flug bezahlt, sondern in den so genannten „Steuern und Gebühren“ sind zahlreiche Posten enthalten, die direkt an den Airport fließen. Dazu kommen noch weitere Punkte, die Fluggesellschaften an die Airports, Dienstleister und Behörden zu entrichten haben.

Dass das Terminal 3 des Wiener Flughafens eine Fehlkonstruktion ist, an deren Behebung das heutige Management seit vielen Jahren arbeitet, ist allgemein bekannt. Schon allein der Umstand, dass es zum Zeitpunkt der Eröffnung keinerlei Verbindung zwischen dem Bestand und dem Neubau gab, ist sinnbildlich. Diese mussten bzw. werden nach und nach geschaffen. Die Süderweiterung soll einen wichtigen Beitrag leisten, denn dann sollen auch die Sicherheitsbereiche weitgehend miteinander verbunden sein. Bereits jetzt gibt es ein paar Wege sowie einen Shuttlebus, aber eine optimale Lösung ist das nicht.

Gangway am Flughafen Wien (Foto: Robert Spohr).

Fünf Sterne?

Die zusätzlichen Busgates sollen die Kapazität weiter erhöhen. Dies geht aber zu Lasten bestehender Gangways, die es künftig an dieser Position nicht mehr geben wird. Letztlich geht es auch um das Thema Shopping und Gastronomie, denn dies bringt dem Airport so einiges an Mieten ein. Die zusätzlichen Flächen sind durchaus umfangreich. Auch an angekündigten Lounges wird man verdienen, denn von externen Betreibern bekommt man Miete und wenn man diese im Eigenbetrieb eröffnet, verdient man selbst die Eintrittsgebühren, die von den Passagieren entweder selbst oder über ihre Airline oder das Kartenprogramm entrichtet werden.

Ob es dem Flughafen Wien gelingt allein durch die Süderweiterung, die primär eine neue Sicherheitskontrolle, zusätzliche Restaurants, Shops und Lounges sowie Busgates bringen wird, tatsächlich ein Fünf-Sterne-Airport zu werden, gilt es abzuwarten. Letztlich entscheiden Passagiere selbst darüber, ob sie etwas als „Fünf Sterne“ empfinden oder nicht. Da helfen Werbeaussendungen und Sticker unter Berufung auf Ratingagenturen wie Skytrax rein gar nichts. Für den einzelnen Reisenden zählt das individuelle Erlebnis und das ist eben subjektiv, persönlich und einzigartig.

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