Die künftige Austrian-Airlines-Chefin Anette Mann beklagte sich auf dem Social-Media-Portal LinkedIn über die aktuelle Slot-Regelung der Europäischen Union. Unter dem Deckmantel Umweltschutz kritisierte sie, dass man 18.000 vermeidbare Flüge durchführen muss, um die Start- und Landerechte zu erhalten. Wizz-Air-Chief-Operations Officer Heiko Holm konterte und wollte wissen warum Lufthansa Slots, die man mangels Nachfrage nicht benötigt, nicht einfach zurückgibt.
“Warum nicht die Slots zurückgeben und andere sie benutzen lassen?”, fragt der Wizz-Air-Manager die künftige Firmenchefin von Austrian Airlines, die derzeit für die Konzernmutter Lufthansa tätig ist. Mann antwortete: “Wenn ich mir Ihre Berufsbezeichnung ansehe, denke ich, dass Sie wissen, wie das Geschäft funktioniert und dass Ihr Vorschlag keine praktikable Option ist”.
Das konnte Heiko Holm natürlich nicht auf sich sitzen lassen und warf Mann vor: “Es ist auch nicht tragbar den Wettbewerb zu verhindern, eine Verlängerung der Ausnahmeregelungen für Slots zu fordern und einen bürokratischen Ansatz der EU zu fordern. Es gibt Fluggesellschaften, die die Slots gerne für den Passagierverkehr nutzen würden”.
Darauf hatte die künftige Austrian-Airlines-Chefin dann keine Antwort mehr. Stattdessen antwortete ihr Kollege Jörg Bauer: “Niemand hält Sie davon ab, die bereits zurückgegebenen Slots im ersten Quartal 2022 zu nutzen… viel Spaß!” Swiss Head of Flight Operations, Stefan Kenan Scheib gab seiner Lufthansa-Kollegin ebenfalls Schützenhilfe: “Absolut richtig, diese Regel in Frage zu stellen. Im Flugbetrieb setzen wir alle möglichen Einsparpotenziale um, die von unseren Lufthansa Group Piloten sicher genutzt werden können, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Diese Bemühungen sind richtig, nützlich und müssen durch Maßnahmen zur Effizienz des Flugverkehrsmanagements und erst recht durch Vorschriften erleichtert werden, die es den Fluggesellschaften ermöglichen, ihre Emissionen weiter zu senken. Nicht umgekehrt.”
Brüssel verlangt mehrheitliche Nutzung der Start- und Landerechte
Hintergrund dieser kontroversen Diskussion ist, dass die Europäische Union will, dass zugeteilte Start- und Landerechte genutzt werden. Eigentlich hätte man in der laufenden Winterflugplanperiode 2021/22 80 Prozent der Slots tatsächlich befliegen müssen, jedoch entschied sich Brüssel unmittelbar vor dem Beginn, dass 64 Prozent ausreichend sind. Auch das ist dem Lufthansa-Konzern offenbar noch zu viel, denn nach vielversprechenden Buchungszahlen im Oktober und Teilen des November 2021 ist die Nachfrage eingebrochen. Selbstredend ist davon auch der Mitbewerber Wizz Air betroffen, denn dieser setzt mangels Neubuchungen über 200 Strecken aus. Ryanair traf es mit etwas Zeitverzögerung, doch auch der von Michael O’Leary geleitete Konzern strich rund ein Drittel des Angebots, das man ursprünglich im Jänner 2022 geplant hatte.
Lufthansa macht seit einigen Tagen Lobbyarbeit gegen die aktuelle Slotregelung der Europäischen Union und fordert, dass diese aufgehoben wird. In der vorherigen Winterperiode 2020/21 war es egal wie viel oder wenig geflogen wurde, denn die Regeln waren ausgesetzt und die Start- und Landerechte konnten nicht verloren gehen. Momentan muss man 64 Prozent nutzen. Die Lufthansa Group ist der Ansicht, dass man etwa 18.000 Flüge, für die es nach eigener Darstellung keine Nachfrage gibt, durchführen muss.
Auch Lowcoster haben zahlreiche Strecken ausgesetzt
Besonders Wizz Air und Ryanair haben sich vom ersten Tag der Corona-Pandemie gegen das Aussetzen der Slot-Regeln ausgesprochen. Mal lauter, mal leiser, jedoch behaupten die beiden Billigflieger, dass damit “teure Airlines” protegiert werden sollen. Gefordert wird die Neuvergabe an Fluggesellschaften, die dies zum Teil stark begehrten Start- und Landerechte dann auch tatsächlich nutzen. Dabei meint man sich natürlich selbst. Naturgemäß sehen Slot-Inhaber wie die Lufthansa Group die Situation gänzlich anders.
Die eingangs zitierte Diskussion zwischen Lufthansa-Managerin Annette Mann, die bald an der Spitze von Austrian Airlines stehen wird und Wizz-Air-COO Heiko Holm, ist insofern ein wenig amüsant, da Wizz Air bekanntermaßen enorm viele Strecken temporär ausgesetzt hat und an größeren Airports selbst in die Gefahr des Verlusts von Start- und Landerechten kommen könnte. Davon nicht betroffen sind natürlich Routen zwischen kleineren Airports, von deren Existenz man gelegentlich nur über die Homepages von Wizz Air oder Ryanair erfährt. Kleine Flughäfen, abwertend auch “Landratspisten” oder “Provinz-Airports” genannt, sind im Regelfall mangels Verkehrsaufkommens nicht slotreguliert.