Flugzeuge in Russland: Leasinggeber Carlyle klagt Versicherungen auf 700 Millionen U.S.-Dollar

Flugzeuge in Russland: Leasinggeber Carlyle klagt Versicherungen auf 700 Millionen U.S.-Dollar

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Die Leasinggesellschaft Carlyle Aviation Partners will nun für 23 Flugzeuge, die an Carrier in der Russischen Föderation verleast sind, jedoch trotz wiederholter Aufforderung nicht zurückgegeben wurden, Entschädigungen von den Versicherern sehen. Man macht rund 700 Millionen U.S.-Dollar gegen rund 30 Assekuranzen geltend.

Im Nachgang des kriegerischen Überfalls der Russischen Föderation gegen die Ukraine wurden unter anderem seitens der USA und der Europäischen Union eine Reihe von Sanktionen verhängt. Diese betreffen auf Leasingunternehmen, denn die Zusammenarbeit mit russischen Unternehmen musste beendet werden. Die Lessoren haben daher ihr Eigentum zurückgefordert, jedoch wurden die Maschinen nur in wenigen Fällen tatsächlich retourniert. Unter anderem Irland und die Bermuda Inseln haben alle Flugzeuge, die von russischen Airlines bzw. Personen genutzt werden, aus ihren Registern gestrichen.

Darauf reagierte die russische Regierung mit einem Dekret, das es ermöglicht, dass die betroffenen Maschinen im Expresstempo ins RA-Register überführt werden können. Weiters wurde auferlegt, dass Leasingraten in Rubel auf so genannte C-Konten zu bezahlen sind. In der Theorie können die Lessoren das Geld abrufen, jedoch ist das in der Praxis aufgrund der Sanktionen nicht möglich. Russische Fluggesellschaften meiden seither Länder, in denen die Pfändung der Flugzeuge droht. In der westlichen Welt spricht man von staatlich organisiertem Flugzeugdiebstahl, während man in Russland die Lage gänzlich anders sieht.

Flugzeugversicherer können vor finanziellem Debakel stehen

Bereits im Mai 2022 erklärte eine Expertin für Flugzeugversicherungen im Rahmen einer Konferenz, die im maltesischen Qawra abgehalten wurde, dass die Assekuranzen auf enorm hohe Kosten zusteuern, wenn die Lessoren Versicherungsentschädigungen für ihr Eigentum, an das sie mangels Rechtshilfe in Russland nicht herankommen, fordern. Es geht um viele Milliarden U.S.-Dollar, die den einen oder anderen Versicherungskonzern ins Wanken bringen könnten. Auch für Rückversicherer wird die Angelegenheit kompliziert.

Da sämtliche Rechtsmittel im Zusammenhang mit der Rückforderung von Flugzeugen, die bei russischen Airlines im Einsatz sind, mit hohen Kosten verbunden sind und mangels Rechtshilfe die Durchsetzbarkeit derzeit fast unmöglich ist, hoffen immer mehr Leasinggeber darauf, dass sie von ihren Versicherungen entschädigt werden. Immerhin: Im Normalfall sind Verkehrsflugzeuge durchaus gegen Diebstahl und Veruntreuung versichert. Logischerweise wenden die Assekuranzen nun ein, dass es sich ja weder um Diebstahl noch um Veruntreuung handelt, weil man ja genau weiß wo das Objekt ist und zwar in Russland. Es gibt aber auch Gegenbeispiele: Erst kürzlich hat Russland die Rückgabe von Boeing 737 Max genehmigt.

Es ist also vorprogrammiert, dass es zu jahrelangen Prozessen, die aufgrund der Verträge überwiegend in den USA und im Vereinigten Königreich geführt werden müssen, kommen wird. Carlyle Aviation Partners hat in Florida eine Klage eingebracht, denn man ist der Ansicht, dass die über 30 Versicherer und deren Rückversicherer bezahlen müssen. Die Assekuranzen wollen aber nicht bezahlen, da es um immerhin 700 Millionen U.S.-Dollar geht. Anzumerken ist auch, dass in der Luftfahrt häufig mehrere Versicherungen zu Syndikaten zusammenschließen und sich das Risiko nach einem vertraglich zu definierenden Schlüssel aufteilen. Auch im Bereich der Rückversicherer schließen sich häufig mehrere Anbieter zusammen. Das ist der einfache Grund dafür, dass es bei 23 Flugzeugen, um die es geht, über 30 beklagte Assekuranzen bzw. Rückversicherer gibt.

700 Millionen U.S.-Dollar eingeklagt

In der am Montagabend bei einem Gericht in Florida eingebrachten Klage geht es „nur“ um 700 Millionen Euro zuzüglich Anwalts- und Gerichtskosten sowie eventuell Verzugszinsen. Diese Summe dürfte die Versicherer noch nicht ins Wanken bringen. Allerdings: Es handelt nur um einen einzigen Leasingeber, der seine mutmaßlichen Versicherungsansprüche gerichtlich geltend macht. Andere Anbieter werden das Vorgehen mit hoher Wahrscheinlich beobachten und gegebenenfalls ihre Versicherer ebenfalls zur Kasse bitten oder klagen. Damit rechnet man sowohl in der Versicherungs- als auch der Leasingbranche, weshalb es finanziell für die eine oder andere Assekuranz sehr eng werden könnte. Da Unfälle, Diebstähle und Veruntreuungen in der Luftfahrt zum Glück selten sind, gab es über Jahre hinweg regelrechte Dumping-Prämien. Dies wird auch nach Ansicht von Versicherungsexperten nun zum Bumerang, denn es ist damit zu rechnen, dass die Lessoren den faktischen Eigentumsverlust nicht verkraften wollen und können und Entschädigungen von ihren Versicherern sehen wollen. Somit ist mit einem regelrechten Tsunami an Klagen, bei denen es um viele Milliarden U.S.-Dollar geht, zu rechnen. Ob die Flugzeugversicherungsbranche das überhaupt stemmen kann, wird sich zeigen.

Die Financial Times zitiert auszugsweise aus der Klageschrift, die von den Rechtsanwälten des Lessors Carlyle Aviation Partners (USA und UK) eingebracht wurde. Den Versicherern wird vorgeworfen, dass diese ihre vertraglichen Pflichten verletzt hätten. Bereits im März 2022 habe man die Schadensmeldungen eingebracht, jedoch wären diese bis dato nicht „rechtszeitig oder ernsthaft“ bearbeitet worden. Auch würden die Assekuranzen die Situation völlig falsch bewertet. Wortwörtlich ist zu lesen: „In eklatanter Verletzung ihrer vertraglichen Verpflichtungen und Monate, nachdem die Carlyle-Kläger die Beklagten zum ersten Mal über ihre gedeckten Verluste informiert hatten, haben die Beklagten es versäumt, für diese Verluste Deckung zu gewähren“-

Auch Kosten in Ägypten werden geltend gemacht

In der Klage geht es um insgesamt 23 Flugzeuge. Dabei handelt es sich um 16 Maschinen des Herstellers Boeing sowie sieben von Airbus. Die Flugzeuge sind trotz Rückforderung weiterhin bei Utair, Rossiya Airlines, Nordwind Airlines, S7 Airlines und Samrtavia im Einsatz. Einen Sonderfall stellt laut Lessor jene Boeing 737-800, die an Azur Air verleast, jedoch seit Monaten in Ägypten festsitzt, dar. Diese Maschine konnte zwar im afrikanischen Land an die Kette gelegt werden, aber zurückholen konnte der Leasinggeber diese bislang nicht. Die lokalen Behörden haben jedoch in Aussicht gestellt, dass man die Maschine freigeben könnte, wenn Carlyle für sämtliche Kosten wie Parkgebühren und sonstige Spesen aufkommt. Auch diese Kosten will der Leasinggeber von den Versicherungen ersetz haben.

Die weitere Entwicklung des gerichtlichen Vorgehens des Lessors wird von den Mitbewerbern, deren Klagen ebenfalls in den Startlöchern stehen, mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Spannung beobachtet werden. Es ist damit zu rechnen, dass sich die Verfahren nicht zuletzt wegen der enorm hohen Streitwerte über mehrere Jahre durch die Instanzen ziehen werden. Für die Klage, die am Montag in den USA eingereicht wurde, hat das Gericht noch keinen Verhandlungstermin anberaumt.

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