Neuer AUA-KV: Acht Verhandlungsrunden ohne Ergebnis

Heckflosse Boeing 777 (Foto: Jan Gruber).
Heckflosse Boeing 777 (Foto: Jan Gruber).

Neuer AUA-KV: Acht Verhandlungsrunden ohne Ergebnis

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Schon seit einiger Zeit ist die Stimmung zwischen den Arbeitnehmervertretern und dem Management von Austrian Airlines angespannt. Die Gewerkschaft und der Betriebsrat drängen auf einen neuen Kollektivvertrag, der insbesondere eine deutliche Anhebung der Gehälter beinhalten soll.

Eine österreichische Eigenheit spielt in den Verhandlungen auch eine Rolle: Austrian Airlines darf selbst keine Kollektivverträge abschließen. Dies ist der Standesvertretung, also der Wirtschaftskammer, vorbehalten. Daher sitzen WKO- und ÖGB-Funktionäre am Verhandlungstisch. Rein theoretisch könnte auch ein Abschluss ganz ohne Einbindung des AUA-Managements gemacht werden, jedoch vertritt in der Praxis die Wirtschaftskammer die Interessen seines Mitglieds Austrian Airlines.

In Österreich gibt es in fast allen Wirtschaftszweigen so genannte Branchen-Kollektivverträge. Die Gewerkschaft und die jeweilige Standesvertretung handeln diese aus, vereinbaren diese und dann gilt der „KV“ dann beispielsweise für alle Bäcker, Friseure, Metallbaubetriebe und so weiter. In der Luftfahrt gibt es aus historischen Gründen keinen solchen branchenweit gültigen Kollektivvertrag. Dies wird seitens der ÖGB-Teilgewerkschaft Vida seit vielen Jahren heftig kritisiert. Immer wieder fordern die Arbeitnehmervertreter den Abschluss eines solchen Vertragswerks, jedoch erteilt die Wirtschaftskammer, die am aktuellen Stand der Dinge festhalten will, stets eine Absage.

Es gibt keinen Branchen-KV in der österreichischen Luffahrt

Doch warum gibt es in der Luftfahrt eigentlich keinen Branchen-KV? Historisch gesehen liegt es daran, dass zum Zeitpunkt der „Erfindung“ der branchenweit gültigen Kollektivverträge Austrian Airlines die einzige österreichische Fluggesellschaft war. Somit bestand schlichtweg kein Bedarf, da es ohnehin nur das damalige Staatsunternehmen, das im Bundesbudget als eine Art „fliegende ÖBB“ behandelt wurde. Erst später wurden beispielsweise Montana Austria, Lauda Air, Tyrolean Airways und andere Luftfahrtunternehmen gegründet.

Mittlerweile besteht die Besonderheit, dass es in Österreich deutlich mehr Bedarfsfluggesellschaften, die mit Businessjets unterwegs sind, als Passagierfluggesellschaften gibt. Defacto ist nämlich nur Austrian Airlines übrig geblieben, denn Eurowings Europe und Lauda Europe fliegen unter maltesischem AOC. Easyjet Europe ist zwar formell eine österreichische Fluggesellschaft, jedoch ist auf österreichischem Boden kein einziger fliegender Mitarbeiter stationiert. Allerdings können auch Zweigniederlassungen ausländischer Carrier, im konkreten Fall würden zum Beispiel Wizz Air Malta, Lauda Europe und Eurowings Europe in Frage kommen, von einem Branchen-Kollektivvertrag erfasst werden, sofern es sich um in der Alpenrepublik stationierte Mitarbeiter handelt. In der Vergangenheit hat Wizz Air immer wieder betont, dass man der Ansicht ist, dass ein eventueller Branchen-KV aufgrund des Umstands, dass man kein österreichisches Unternehmen ist, nicht greifen würde. Die Gewerkschaft Vida sieht das ganz anders.

Die Wirtschaftskammer begründet die Ablehnung eines Branchen-KVs übrigens damit, dass dieser Wirtschaftszweig sehr speziell wäre und die Unternehmen sehr unterschiedliche Bedürfnisse hätten. Beispielsweise könnte man das Geschäftsmodell von Austrian Airlines nicht mit Anbietern von Bedarfsflügen (Businessjets) vergleichen. Ein einheitlicher Branchen-KV würde die Unternehmen im internationalen Wettbewerb massiv einschränken bzw. behindern. Seitens der Gewerkschaft wird diese Darstellung angezweifelt, zumal man in einem Vertragswerk zum Beispiel zwischen Linienluftfahrt und Business Aviation unterscheiden könne.

Einstige Goldgräberstimmung in Wien

Vor der Corona-Pandemie zeigten die Löhne und Gehälter nur selten signifikant nach oben. Lediglich nach den Pleiten von Air Berlin und Niki lockten einige Anbieter mit speziellen Boni, denn es gab „Goldgräberstimmung“. Wizz Air, Ryanair (als Laudamotion), die IAG (als Level Europe) und die Lufthansa Group (unter verschiedenen Marken; in Österreich als AUA und Eurowings Europe), aber auch Easyjet (in Deutschland) wollten ihren Teil vom „Kuchen“ abhaben. In Wien entwickelte sich ein scharfer Wettbewerb auf der Kurz- und Mittelstrecke. Die Corona-Pandemie führte zu einer schlagartigen Konsolidierung. Noch vor dem Beginn dieser zog sich Eurowings Europe weitgehend zurück, während der Pandemie wurden die Easyjet-Routen von/nach Wien endgültig eingestellt, Level Europe meldete Konkurs an, bei Wizz Air und Ryanair wurde zunächst gekürzt.

Austrian Airlines hat einen staatlich garantierten Kredit, der zwischenzeitlich zurückbezahlt wurde, in Anspruch genommen. Weiters bekam man vom Staat 150 Millionen Euro an Entschädigung geschenkt bekommen. Auch die Laudamotion GmbH hat Corona-Hilfen vom Staat überwiesen bekommen. Aus der Transparenzdatenbank des Bundes geht hervor, dass im Jahr 2021 520.000 Euro, im Jahr 2022 400.000 Euro und in 2023 10.659.876,73 Euro überwiesen wurde. Es handelt sich um Unterstützungen wie Fixkostenzuschüsse, Lockdown-Bonus und so weiter, die jeder Unternehmer beantragen konnte. Laut der vom Finanzministerium geführten Datenbank sollen jedoch an Eurowings Europe GmbH, Easyjet Europe Airline GmbH, die Konkursmasse von Level Europe GmbH und/oder die Zweigniederlassung von Wizz Air Hungary Kft. keine Gelder ausbezahlt worden sein. Es ist unbekannt, ob die genannten Unternehmen überhaupt Anträge bei den zuständigen Stellen (z.B. Cofag, Wirtschaftskammer, etc.) gestellt haben.

Krisen-KV nach Kurzarbeit

Die Laudamotion GmbH hat nach einer regelrechten Seifenoper rund um die für die Kurzarbeit notwendige Sozialpartnervereinbarung diese nach nur wenigen Tagen wieder beendet. Diesen Schritt setzte man, weil die Gewerkschaft ein Ultimatum nicht erfüllt hat. Was zu diesem Zeitpunkt öffentlich nicht bekannt war: Schon längst befand sich der maltesische Nachfolger Lauda Europe Ltd. im Aufbau. Nur wenige Wochen später wurde „die Katze aus dem Sack“ gelassen und Ende 2020 gab die Laudamotion GmbH gar ihr AOC und ihre Betriebsgenehmigung zurück. Der “neue Laudmotion-KV”, der unter Demonstrationen ausverhandelt wurde, ist nie in Kraft getreten.

Bei Austrian Airlines ist es anders gelaufen. Der Carrier hielt sein Personal vergleichsweise sehr lange in Kurzarbeit. Für die Beschäftigten hatte dies finanzielle Auswirkungen, denn während dieser Maßnahme erhalten diese weniger Geld als bei normaler Vollzeitarbeit. Zusätzlich hat man sich über die Wirtschaftskammer auf einen so genannten Krisen-KV geeinigt, der nach der Beendigung der Kurzarbeit gekürzte Löhne und Gehälter vorgesehen hat. Damals gingen auch die Gewerkschafter davon aus, dass es viele Jahre dauern wird bis die AUA wieder in die schwarzen Zahlen fliegen kann. Es ging dann erheblich schneller, aber die „Krisen-Gehälter“ lasteten noch länger auf dem Personal.

Diesbezüglich ist auch anzumerken, dass in der Kurzarbeit lediglich das Grundgehalt exklusive Flugstundenzulagen und sonstiger Zulagen berücksichtigt wurde. Das führte dazu, dass besonders junge Flugbegleiter sehr wenig Geld bekommen und haben und sich aus der Not heraus geringfügige Nebenjobs, oftmals in der Gastronomie, suchen mussten. Diese haben sie dann wegen der völlig unnötigen Lockdowns auch wiederholt verloren. Noch schlechter standen Wizz-Air-Flugbegleiter da, denn diese haben mangels Kurzarbeit lediglich das Grundgehalt überwiesen bekommen und das reichte vielen vorne und hinten nicht aus. Einige haben sich in anderen Branchen neu orientiert, weshalb der Carrier dann akuten Flugbegleitermangel gehabt haben. Die Lauda-Beschäftigten haben das in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Mindestgehalt, das aber auch nicht sonderlich hoch ist, erhalten. Jedenfalls gab es deutlich mehr Geld als beim Konkurrenten.

AUA-Mitarbeiter sind keine „Top-Verdiener“

Immer wieder herrscht der Irrglaube, dass Austrian Airlines den Flugbegleitern und Piloten die höchsten Löhne, die man in Österreich in der Luftfahrt verdienen kann, bezahlen würde. Das stimmt schlichtweg nicht. Beispielsweise verdienen Berufsanfänger (Flugbegleiter) in den ersten Jahren bei der AUA weniger als bei Lauda Europe und Wizz Air. Sogar bei der „Phantom-Basis“ Wien von Eurowings Europe ist das Einstiegsgehalt höher als bei Austrian Airlines. Nach einigen Jahren Betriebszugehörigkeit und dem damit verbundenen Aufstieg in höhere Stufen in den Vergütungstabellen, verdient man als Flugbegleiter bei Austrian Airlines dann deutlich besser als bei der Lowcost-Konkurrenz. Vereinfacht dargestellt: Berufsanfänger können am Anfang bei der Konkurrenz mehr verdienen, langfristig gesehen aber bei Austrian Airlines. Das bedeutet auch, dass sich dann Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber in der Geldbörse bemerkbar macht.

Die Teuerungen der letzten Jahre sind auch am fliegenden Personal der AUA nicht spurlos vorbeigegangen. Alles wurde teurer und insbesondere Tickets von Austrian Airlines wurden bei gleichzeitiger erheblicher Reduktion der Inklusivleistungen zum Teil exorbitant teurer. Das wissen auch die Piloten und Flugbegleiter, jedoch wurden deren Gehälter – nach Abschaffung der Krisenbezüge – nur minimal erhöht. Erst kürzlich rühmte sich das Management damit, dass man einen fetten Gewinn geschrieben haben will. Es ist also schon allein aus dieser Betrachtungsweise heraus durchaus nachvollziehbar, dass das Personal auch etwas von den teuren Ticketpreisen abhaben will.

Acht Verhandlungstage ohne Ergebnis

Die Wirtschaftskammer (Vertreter von Austrian Airlines) und die ÖGB-Teilgewerkschaft Vida (als Vertreter des Personals) verhandeln bereits seit mehreren Monaten über einen neuen Kollektivertrag. Die Arbeitnehmerseite will höhere Bezüge für das fliegende Personal abgeschlossen haben, jedoch ist man auf der anderen Seite des Tisches dafür nicht wirklich offen. Bislang gab es acht Verhandlungsrunden, aber eine Einigung wurde nicht erzielt.

„In diesem Jahr streben wir an, die Einkommen des fliegenden Personals an das Niveau vergleichbarer Airlines anzupassen, um die bestehende Unterbezahlung zu korrigieren“, so Daniel Liebhart, Vorsitzender des Vida-Fachbereichs Luftfahrt. „Nach einem sehr guten wirtschaftlichen Jahr für die gesamte Luftfahrtbranche und einer kräftigen Anhebung der Ticketpreise müssten jetzt auch die Mitarbeiter profitieren, fügt Liebhart auch hinzu, dass einige Airlines bereits weitere kräftige Erhöhungen der Ticketpreise von bis zu 10 Prozent angekündigt hätten“.

Die KV-Verhandlungen würden sich heuer als herausfordernd gestalten, da man sich „zwischen den gegensätzlichen Polen der Gewinnmaximierung und der Einkommenserhöhung“ bewege. „Es ist nur fair, wenn die Erlöse aus den Preiserhöhungen nicht nur zur Gewinnmaximierung verwendet werden, sondern sich auch in guten Gehaltserhöhungen manifestieren. Wir sind zuversichtlich, eine Lösung zu finden, die auch der florierenden Luftfahrtentwicklung nicht im Wege steht“, sagt der Vida-Gewerkschafter weiter.

Arbeitnehmervertreter wollen weiter verhandeln

Am Freitag, den 1. März 2024, finden also Betriebsversammlungen statt. Diese wurden von Gewerkschaft und Betriebsrat mit vergleichsweise langer Vorlaufzeit eingebrufen. Während dieser soll das fliegende AUA-Personal über den aktuellen Stand der Dinge in Sachen Verhandlungen über den neuen KV informiert werden. Auch will man mit der Belegschaft mögliche weitere Schritte besprechen.

Noch ist offiziell keine Rede von Streik. Im Gegenteil, denn Daniel Liebhart betont: „Wir setzen auf einen konstruktiven Verhandlungsverlauf. AUA-Vorstand und die Wirtschaftskammer Österreich haben es in der Hand, gemeinsam mit der Gewerkschaft ein sinnvolles Paket für die Zukunft zu schnüren“. Unter vorgehaltener Hand ist aber von AUA-Mitarbeitern zu hören, dass damit gerechnet wird, dass irgendjemand das „S-Wort“ während der Versammlungen zur Sprache bringen könnte. Es ist also nicht gänzlich auszuschließen, dass die Arbeitnehmervertreter bei anhaltendem Stocken dann doch härtere Arbeitskampfmaßnahmen – zumindest vorschlagen – könnten.

Austrian Airlines hat für den 1. März 2024 insgesamt 112 Flüge vorsorglich gestrichen. Es ist nicht auszuschließen, dass es noch zu Folgestreichungen kommen könnte. Auch müssen Passagiere damit rechnen, dass es auch nach Beendigung der Betriebsversammlungen aufgrund des Maschinenumlaufs zu Verzögerungen am gesamten Freitag kommen könnte.

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